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Die Zwerge in den Kammerlöchern bei Angelroda

  Mündlich.

Südlich von Angelroda erhebt sich ein waldiger, am Fusse mit Getreidefeldern bedeckter Muschelkalkrücken. Die Waldung ist grösstentheils Kirchenholz. Auf dem Rücken des Berges öffnen sich mächtige Felsenspalten, oft wunderbar gestaltet und mit herrlichen Schlingpflanzen bewachsen. Früher ragten mächtige Fichten aus den Felsenspalten empor, die ehemals noch colossaler gewesen sein mögen; die herunter gestürzten Felsstücken zeigen dieses an. Der Berg selbst heisst Weissenstein und seine Fortsetzung bei Angelroda die Kummel. In den unheimlichen Höhlen und Grotten dieser Felsen hauste früher eine Zwergkolonie, die sich auch bis zum Jonasthale bei Arnstadt verbreitet hatte. Es war ein neckisches, lustiges Völkchen. Durch ihre Tarnkappen konnten sie sich unsichtbar machen und wem sie wohl wollten, dem verliehen sie eine solche Tarnkappe. Junge Ehepaare, welche ein frommes, arbeitsames, bescheidenes Leben führten, beschenkten sie oft mit reichen Gaben. Solche Leute fanden nicht selten eines Morgens eine schöne Kuh in ihrem Stalle, wenn sie selber noch keine hatten einstellen können. Den meisten Menschen waren sie aber als böse Geister verhasst, da sie ihnen manchen Schabernack zufügten.

So kamen sie auch durch den Kummelberg in den Keller des Wirths, dessen Haus am Fusse desselben liegt, und naschten den Kuchen und Wein zum grossen Aerger des Besitzers. Ihre Fussspuren, die sie hinterliessen, waren wie kleine Gänsefüsschen gestaltet. Die Leute sannen auf Mittel, sie aus der Gegend zu vertreiben. Lange wollte es nicht gelingen. Endlich kam ein weiser Mann nach Angelroda, den man um Rath fragte. Es gibt hier viel Tarus (Eibenbaum),„ sagte er „legt Zweige von diesen Bäumen vor die Löcher der Zwerge und zwar am Johannisabende, da werden sie sofort weichen.“ Als der Johannistag herankam, sammelte Tags vorher Jung und Alt Eibenzweige und Abends legte man sie kreuzweis vor die Löcher der Zwerge. In stiller Mitternacht gab man Acht, welchen Ausgang es mit dem Zwergvölklein nehmen werde. Man hörte ein leises Weinen und ein unheimliches Rauschen durch die Luft; der Zwergkönig zog mit einer grossen Schaar Gezwerge durch die Luft hinüber nach Rippersrode zu. Ein lichter Schimmer bezeichnete ihre Strasse. Die Neckereien der Zwerge hatten nun zwar ein Ende, aber auch der frühere Segen ihrer Gegenwart hatte sich verloren. Einzelne Zwerge hat man hie und da später noch gesehen, bis sie endlich ganz verschwunden sind.

Quellen: