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Der getreue Eckart und das wüthende Heer

  Prätorius Blocksbergs Verrichtung S. 15 ff.
  Agrikola deutsche Sprichwörter 667.

Der Hörselberg ist, wie schon gesagt wurde, auch ein Aufenthalt des wüthenden Heeres. In unserm Thüringen werden öfters, und zwar sonderlich um die heiligen Weihnachten und Fastnachten nicht allein auf dem Felde, sondern auch in den Städten und Dörfern eine ziemliche Menge Gespenster und Teufelsgestalten gesehen, unter welchen sowohl lebendiger als auch gestorbener Leute Gesichter in grosser Anzahl oft erkannt werden. Diese Gespenster erscheinen bald zu Pferde als Reiter, bald zu Fuss wie ein Zug Soldaten und streifen hin und wieder. Vor diesem Teufelsheer zieht ein ansehnlicher alter und grauer Mann einher, welchen sie den „getreuen Eckhart“ nennen, mit einem Stecken in der Hand, den er hin und her bewegt und das herannahende Volk vermahnet, dass sie möchten etwas aus dem Wege weichen oder abseits treten oder gar nach Hause gehen, damit ihnen nicht durch ihre Kühnheit und Unbesonnenheit ein unnöthiges Unglück über den Hals komme. Nach ihm folgt allerhand Teufels- Geschmeisse in grossen Schaaren und in allerlei Gestalt, gar gräulich und abscheulich anzusehen: etlichen sind die Köpfe abgehauen, etliche tragen das Gesicht auf der Brust, andere haben die Hände und Arme verloren, andere hinken auf einem Fusse oder haben die Beine auf die Schultern gelegt und können dennoch geschwinde fortlaufen; wieder andere sind an grosse Räder gebunden, die sie ohne Unterlass herumwälzen. Man höret in diesem Zuge Jägergeschrei, Hörnerblasen, Gebell der Hunde und sieht viele Hasen, die aufgejagt werden; es grunzen Schweine darunter und brüllen Löwen und andere wilde Thiere.

Dieses Gespenster-Heer treibt nicht allein bei uns oben in Thüringen solche Possen, sondern schweift auch in der Grafschaft Mansfeld, beim Harzwalde, in Franken, Schwaben und in vielen andern Orten und Gegenden umher.

So hat schon vor vielen langen Jahren Johann Kennerer, Pfarrherr zu Mansfeld, seines Alters über achtzig Jahre, erzählt, dass Eisleben und im ganzen Lande Mansfeld das wüthende Heer vorüber    gezogen sei alle Jahre auf den Fastnacht- Donnerstag, und die Leute sind zugelaufen und haben darauf gewartet, nicht anders, als sollte ein grosser und mächtiger Kaiser oder König vorüberziehen. Vor dem Haufen ist ein alter Mann hergegangen mit einem weissen Stabe, der hat sich selbst der treue Eckhart geheissen. Dieser alte Mann hat die Leute heissen aus dem Wege weichen, auch etliche Leute heimgehen, sie würden sonst Schaden nehmen. Nach diesem Manne haben etliche geritten, etliche gegangen und es sind Leute gesehen worden, die neulich an den Orten gestorben waren, zum Theil auch noch lebten. Einer hat geritten auf einem Pferd mit zwei Füssen, der andere ist auf einem Rade gebunden gelegen und das Rad ist von selbst umgelaufen, der dritte hat einen Schenkel über die Achsel genommen und hat gleich sehr gelaufen. Ein anderer hat keinen Kopf gehabt und der Stück ohne Massen.„

Diese Geister erscheinen bisweilen in grosser Anzahl, als wenn sie in Ordnung als Soldaten aus den Bergen hervor kröchen, treiben in den Feldern wunderbarliche und seltsame Händel und Possen mit Tanzen, Springen und ungewöhnlichen Gebärden, geben von sich einen Klang, als wenn sie Soldaten unter einem Obersten wären und gegen einander scharmutziren wollten; darauf eilen sie auf einen harten Klang wieder in guter Ordnung nach ihrem Berge zu und verschwinden.

Quellen: