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Der Wagen der Frau Holle

  Prätorius Weihnachtsfratzen prop. 56.
  Mündlich.

Der Frau Holle begegnete bei ihrem Umzuge zur Weihnachtszeit ein Bauer mit einer Axt. Diesen hat sie angeredet, dass er ihr den Wagen verkeilen oder verschlagen sollte. Der Bauer that, wie ihm geheissen war, und als er die Arbeit gethan und den Wagen wieder in Stand gesetzt hatte, befahl ihm Frau Holle die Späne aufzuraffen und als Trinkgeld mitzunehmen. Da ihm das aber vergeblich und unnütz vorkam, liess er sie meistentheils liegen und nahm nur ein Stück oder drei für die Langeweile mit. Als er nach Hause kam, waren dieselben in seiner Tasche zu Ducaten geworden. Nun bedauerte er den Verlust oder die Verscherzung der übrigen Späne, aber zu spät. Denn als er umkehrte, die übrigen zu suchen und zu holen, war nichts mehr zu sehen und alles verschwunden.

Diese Geschichte hat sich in Thüringen an vielen Orten zugetragen und die Leute wissen überall davon zu erzählen. So auch in der Umgegend von Tiefenort und dem Krainberge. Dort stand auf dem sogenannten Riedchen bei dem sieben Linden in alter Zeit ein Wald. Durch diesen fuhr noch spät in der Nacht ein Wagen, in welchem eine fremde, unbekannte Dame sass. Der Weg durch diesen Wald war aber sehr sumpfig und morastig, namentlich zur bösen Winterszeit, und so geschah es, dass der Wagen im tiefen Kothe stecken blieb und ein Rad davon zerbrach.

Zum Glück kamen gerade einige Holzhauer des Weges daher, die von ihrer Arbeit in dem Walde eben nach Hause gingen. Die unbekannte Dame bittet die Leute ihr zu helfen und beizustehen und sogleich hauen diese einige Stangen ab und machen eine sogenannte Schleife an die Stelle des zerbrochenen Rades, so dass der Wagen aus dem Sumpfe herauskommen und weiter fahren konnte. Die Dame bedankt sich bei den Leuten und heisst ihnen die umher liegenden Späne als Lohn für die gehabte Mühe und Arbeit einstecken. Lachend und unwillig kehren ihr die Arbeiter den Rücken und gehen ihres Weges. Nur einer von ihnen hat fast gedankenlos einige wenige Späne aufgerafft und in seine Tasche gesteckt. Als er dieselben zu Hause aus der Tasche hervorholen und unter den Ofen werfen will, findet er dieselben in pures Gold verwandelt.

Quellen: