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So viel Kinder als Tage im Jahre

  Becherer thür. Chronik. Mühlhausen 1601. S. 294 f.
  Spangenberg henneberg. Chron. I, 213 f.

Der Graf Hermann von Henneberg, welchem der Abt Ludwig von Reinhardsbrunn in dem Kriege zwischen dem Markgrafen zu Meissen und der Herzogin von Brabant das neuerbaute Schloss Schauenburg zu getreuer Hand gegeben hatte, damit es nicht in andere und fremde Hände kommen und seinem Kloster zu Schaden eingenommen und befestigt werden möchte, dieser Graf hatte eine Gemahlin, Frau Margaretha von Holland, welche eines wunderbaren Todes am Charfreitage in Holland gestorben ist. Und das, sagt man, ging so zu.

Es begab sich, dass diese Gräfin im Jahre 1276 eine Reise nach Holland machte, um ihre Verwandten zu besuchen. Dort begegnete ihr eines Tages in Gräfenhaag ein armes Weib, welches Zwillinge auf ihren Armen trug und noch einige andere Kinder bei sich hatte. Sie bat die Gräfin um ein Almosen, aber diese sah stolz und hochmüthig auf die Frau herab und frug: „sind beide Kinder, die ihr auf den Armen tragt, die eurigen?„ „Gewiss ,“ antwortete die arme Frau, „beide sind an einem Tage geboren. “

„Nun so gewiss es nicht möglich ist,“ entgegnete voller Zorn und Unwillen die Gräfin, „dass ein Weib so viel Kinder auf einmal haben kann, als Tage im Jahre sind, eben so wenig ist es möglich, dass eine Frau zugleich zwei Kinder von einem Manne haben kann; ihr seid eine Ehebrecherin und eins dieser Kinder muss ein uneheliches sein.“

Die arme Frau, weil sie dieses Vorwurfs unschuldig und an Ehren fromm war, nahm sich diesen Schimpf sehr zu Gemüthe und mit einem Blick zum Himmel rief sie Gott an, er wolle seine gerechte Macht an dieser Gräfin beweisen und es geschehen lassen, dass sie nach ihren eigenen Worten so viel Kinder auf einmal erhalte, als Tage im Jahre sind, damit sie erkennen möge, dass kein Ding der göttlichen Allmacht unmöglich sei und dass sie andere ehrliche Weiber, die Gott mit zwei Kindern auf einmal segnete, aus solchem bösen Verdachte lassen müsse.

Und diese Verwünschung wurde erhört. Denn am Charfreitage desselben Jahres gebar die Gräfin 365 Kindlein auf einmal, so gross als kleine Krabben sind, und alle wurden noch lebend vom Bischof Otto von Utrecht, dem Bruder der Gräfin, in ein Becken gelegt, mit Weihwasser besprengt und getauft. Die Knäblein wurden alle Johannes, die Mägdlein Elisabeth genannt. Doch alle Kinder starben alsbald nach der Taufe und die Mutter folgte ihnen nach und alle wurden zusammen in dem Bernhardinerkloster Latum eine Stunde Wegs von Haag begraben, wo man noch heutigen Tages die Geschichte auf dem Grabsteine lesen kann.

Quellen: