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Der Merseburger Rabe

  Lepsius kl. Schriften II, 304 f.

Vom Bischof Thilo, des Geschlechts von Trotha, wird erzählt, dass ihm ein kostbarer Ring abhanden gekommen war, und weil der Verdacht der Entwendung möglicher Weise nur auf einen seiner Diener fallen konnte, habe er denselben durch die Folter zu einem falschen Geständniss gebracht und hinrichten lassen. Nach einiger Zeit, bei Gelegenheit eines Baues am Schlosse, ward der Ring in einem Rabenneste gefunden. Zur warnenden Erinnerung an diesen unglücklichen Vorgang nahm der Bischof nicht nur das Bild eines Raben mit einem Ringe im Schnabel in sein Siegel und Wappen auf und gab dadurch Veranlassung, dass dieses Bild in das Geschlechtswappen derer von Trotha überging, sondern ordnete auch durch eine Stiftung auf ewige Zeiten an, dass ein lebender Rabe im Schlosshofe zu Merseburg unterhalten wird.

Diese Stiftung besteht noch bis auf den heutigen Tag. Im Schlosshofe zu Merseburg wird ein Rabe ernährt, zu dessen Fütterung in der Rentamtsrechnung ein Gewisses an Gerste verschrieben wird. Auch ist es richtig, dass der Bischof Thilo in seinem Siegel neben dem Stiftswappen (einem schwarzen Kreuz im silbernen Felde) zugleich den Naben mit dem Ringe als sein eigenthümliches Wappen führt, das auch auf seinem Grabmale im Dom, desgleichen am Schlosse, mehreren Kirchen und andern Stiftsgebäuden zu Merseburg, die er theils erbaut, theils erneuert hat, zu sehen ist.

Quellen: