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Von einem Gesichte der heil. Elisabeth

  Libellus de dictis IV. ancillarum bei Menken Script. rer. Germ. II , 

In derselben Zeit, als die heil. Elisabeth von der Wartburg vertrieben in grosser Noth und Armuth in der Stadt Eisenach lebte, war sie eines Tages in der Kirche gewesen und hatte auf den Knieen liegend lange ihre Augen auf den Altar gerichtet gehabt. In ihre ärmliche Wohnung zurückgekehrt nahm sie nur wenig Speise zu sich, weil sie sich sehr schwach fühlte, dann aber fing sie an heftig zu schwitzen und neigte sich an den Busen ihrer treuen Dienerin Eisentrud, die ihr ins Elend gefolgt war. Lange starrte sie nach dem offenen Fenster und fing endlich mit freundlicher, heiterer Miene an zu lächeln. Dann schloss sie wieder ihre Augen. Nach einer Stunde weinte sie heftig, bald aber erschien auf ihrem Antlig wieder ein freundliches Lächeln und nach einiger Zeit sprach sie: „Herr, du willst bei mir sein und ich will bei dir sein und mich niemals von dir scheiden.“ Später bekannte sie ihrer vertrauten Dienerin auf deren inständige Bitte folgendes. „Ich sah“ sprach sie „den Himmel offen und meinen süssen Herrn Jesum sich mit seinem Troste in vielem Unglücke und in vielerlei Verfolgungen, die mich umgaben, zu mir neigen. Wenn ich ihn sah, da war ich froh und glücklich; wenn er sich aber von mir abzuwenden schien, dann musste ich weinen. Da wendete er sein mildestes Antlitz zu mir und sagte: „wenn du bei mir sein willst, so will ich bei dir sein, und ich antwortete, wie du gehört hast.“ Als nun ihre Dienerin weiter fragte, was sie vorher in der Kirche gesehen habe, antwortete sie: „was ich dort sah, ziemt sich mir nicht zu enthüllen. Das nur magst du wissen, dass ich in grosser Seligkeit war und wunderbare Geheimnisse Gottes schaute.“

Quellen: