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Von den sechs Meistern im Gesange am Hofe des Landgrafen Hermann

  Das Leben des heil. Ludwig, herausgegeb. von H. Rückert. S. 9 ff.
  Annales Reinhardsbrunn. p. 109 sqq.

Als man schrieb nach Christi Geburt 1207 Jahr, hatte der Landgraf Hermann unter seinem Hofgesinde auf der Wartburg sechs ehrsame, wohlgeborne Männer, hohe Meister im Gesange und in der Dichtkunst, die gegenseitig wider einander dichteten auf höfische Weise. Der eine war genannt Heinrich der tugendsame Schreiber, der andere Walther von der Vogelweide, der dritte Reinhart von Zwegen, der vierte Wolfram von Eschenbach, der fünfte hiess Bitterolf, der sechste und der geschickteste hiess Heinrich Afterding. Dieser stritt allein wider die andern alle und pries und erhob in seinem Lobe den Herzog von Oesterreich über den edeln Landgrafen Hermann in solcher Weise, dass er in seinem Gedichte den genannten Herzog der klaren Sonne verglich. Dagegen lobten die andern fünfe den hochgebornen, erlauchten Fürsten, Landgrafen Hermann, und verglichen ihn dem lichten Tage und kamen darüber so ernstlich an einander, dass sie sich williglich verpflichteten, wer da verliere, den sollte man hängen. Da kam auch herbei der Fememeister und hielt Stränge bereit in seinen Händen.

Nun war Hass und Erbitterung so gross unter ihnen, dass die fünfe in falscher Listigkeit auferlegten, dass sie um die Meisterschaft zu gewinnen und zu verlieren mit Würfeln spielen wollten. Dabei gewannen die fünfe mit falschen Würfeln Heinrich Afterdingen die Meisterschaft ab in Gegenwart des Femers. Da nun Afterding sah, wie es ausging, floh er unter den Mantel der edeln Landgräfin, Frau Sophien, um des Schusses willen, den er da fand, und legte Berufung ein an den Meister Clingesor. Dem stimmten auch die andern bei, dass die Partei, zu welcher er stünde, den Sieg habe, über die andern aber sollte man richten mit dem Strange. Und zu dieser Berufung ward ihm ein Jahr Frist gegeben. Heinrich Afterding zog nun nach Oesterreich und ward da von dem edeln Herzog, dessen Lob er gepriesen hatte, herrlich empfangen und reich begabt. Insbesondere gab er ihm gute behilfliche Briefe an den Meister Clingesor, der zu der Zeit in Ungarn wohnte zu Siebenbürgen. Dieser Meister war edel und wohlgeboren und sehr reich, denn er hatte dreitausend Mark jährlich als Zins ; auch war er ein gewandter Philosophus und gelehrter Mann in weltlichen Künsten, besonders wohl erfahren in der Astronomie und schwarzen Kunst. Zu dem kam Afterding mit des Herzogs Briefen und unterrichtete ihn in der Sache, warum er zu ihm gekommen wäre. Darüber gab ihm Meister Clingesor guten Trost, aber er verzog ihm die Zeit, dass er nicht mit ihm ging zur Wartburg bis auf den Abend vor dem bestimmten Tage, an welchem Meister Clingesor das Urtheil sprechen sollte. Darüber war Heinrich Afterding nicht wenig besorgt. In dieser Nacht kamen sie beide mit Hilfe der schwarzen Kunst von Ungarn nach Eisenach in eines Bürgers Hof, der Hellegreve hiess.

So kam Clingesor in das Thüringer Land dort nach der Fürsten Wunsch und Willen den Streit der Dichter zu entscheiden. Ehe aber Meister Clingesor auf die Wartburg zum Landgrafen Hermann ging, sass er eines Abends vor seiner Herberge und hatte fleissig Acht auf die Gestirne des Himmels. Da fragten ihn die Leute, welche zugegen waren, ob er nicht etwas Seltsames und Sonderliches merkte an den Gestirnen des Himmels. Er antwortete: „ihr sollet wissen für wahr, dass meinem Herrn, dem Könige von Ungarn, eine Tochter geboren wird in dieser Nacht, die wird genannt Elisabeth und wird eines heiligen Lebens sein. Sie soll auch diesem jungen Fürsten, Landgrafen Hermanns Sohne, zur Ehe gegeben werden und von ihrem löblichen, heiligen Leben soll die ganze Erde, sonderlich aber dieses Land erfreuet und getröstet werden.“

Bald darauf ging Meister Clingesor auf die Wartburg und begann dort in dem Rittersaale eifrig mit Wolfram von Eschenbach zu ringen um die Meisterschaft im Dichten und Singen. Er vermochte ihn aber nicht zu überwinden, sondern versprach einen andern statt seiner zu stellen, der ihm in Weisheit und Geschicklichkeit wohl begegnen sollte, und beschwor den Teufel, dass er in menschlicher Gestalt erschien und an das Thor klopfte. Der Landgraf befahl ihn einzulassen und gab ihm die Erlaubnissz mit Wolfram zu disputiren. Die erste Rede war auch sein. Er hub nun an mit List und Geschicklichkeit zu reden von allen den Geschichten, die sich zugetragen hatten vom Anbeginn der Welt bis zur Zeit des neuen Bundes. Dagegen begann Wolfram von Eschenbach lieblich zu reden von der Süssigkeit des göttlichen Wortes, wie es um unserer Seligkeit willen Fleisch geworden und sonderlich kam er auf das Amt der heiligen Messe, und begann über die Massen schön und geistlich auszulegen alle Stücke derselben und ihre Feierlichkeit an Messgewand, Geläute, Gesang und Vorlesung bis dass er kam an die hohen und kräftigen Worte, die Christus, des ewigen Vaters Weisheit, selbst gesprochen hat, mit denen auch das Brod und der Wein wahrhaftig in Fleisch und Blut verwandelt werden, und dass Christus, wie er einmal sich geopfert hat seinem himmlischen Vater als ein unbeflecktes Opfer an dem Galgen des Kreuzes für der ganzen Welt Sünde, ebenso in der heiligen Messe täglich für einen jeden sündigen Menschen besonders geopfert wird als ein Zeichen seiner unaussprechlichen Liebe, die er zu uns hat. Diese liebliche Rede und hohe Materie mochte der Teufel seiner Bosheit wegen nicht hören, sondern verschwand. Da das Meister Clingesor sah und alle seine List ihm' nicht half, ging er mit grosser Schande von dannen. Also ward er von Wolfram von Eschenbach weislich überwunden. Noch liess Meister Clingesor nicht ab, sondern ging anderweit den Teufel an, dass er erfahren möchte an Wolfram, ob er gelehrt wäre oder nicht. Deshalb kam der Teufel des Nachts einmal zu Wolfram, als er entschlummert war, in das Haus seines Wirths zu Eisenach, der Gottschalk genannt war, und legte ihm gar listige Fragen vor von der Natur der himmlischen Sphären und der Sterne und sieben Planeten, aber Wolfram gab ihm keine Antwort. Da schrie der Teufel mit einem grossen Lachen: „er ist ein Laie, er ist ein Laie!“ und schrieb es auch an die Mauer des Gemaches.

Der Landgraf Hermann bat den Meister Clingesor angelegentlich, dass er bei ihm bliebe, und wollte ihm reiche und grosse Gaben geben, aber er schämte sich sehr, dass er von einem ungelehrten Manne also überwunden worden war und wollte nicht bleiben. Darum zog er wieder heim nach Siebenbürgen.

Quellen: