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Von einer Hungersnoth in Thüringen

  Annales fuldenses ad ann. 850.

Um das Jahr 850 war eine grosse Theuerung in ganz Deutschland. In dieser betrübten Zeit wollte ein Mann mit seiner Frau und seinem kleinen Sohne aus dem Fuldischen und zwar aus dem Grabfeld nach Thüringen wandern und sehen, ob er sich dort des Hungers erwehren könnte. Als sie nun in einen Wald kamen, sprach der Mann also zu seiner Frau: „ist es nicht besser, dass wir diesen unsern Sohn schlachten, als dass wir alle Hungers sterben?“ Die Mutter wollte zwar solches nicht zugeben und ihm die grausame That ausreden, als aber der Hunger gar zu sehr drückte, riss er das Kind aus den Mutterarmen und wollte es schlachten; damit aber die Mutter den Jammer nicht ansehen, noch des Kindes Geschrei hören möchte, ging er ein wenig abseits. Indem er aber das Schwert zieht, wird er zweier Wölfe gewahr, die eine Hindin zerreissen; alsbald läuft er hinzu, verscheucht die Wölfe und bringt das Wildpret der Mutter. Wie diese von fern das blutige Fleisch, aber ihr Söhnlein nicht so bald gewahr wurde, erschrak sie dermassen, dass sie in eine Ohnmacht fiel. Er aber ging zu ihr, richtete sie auf, tröstete sie und erzählte, wie Gott das Kind so wunderbar vom Tode errettet und ihnen Fleisch zu essen bescheert habe. Diese Begebenheit haben sie nachher vielen Leuten in Thüringen erzählt.

Quellen: