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Die alte Mühle

Vor vielen Jahrhunderten, als die Gegenden der blauen Havel noch von dem slavischen Volksstamm der Wenden bewohnt wurden, war das Land - über welches in den ältesten Zeiten die Wogen des Meeres rollten - weit und breit mit Wald und Sumpf bedeckt; alljährlich, wenn der Schnee schmolz, traten die Wasser weit aus ihren Ufern, über welches dann die höheren Punkte gleich Inseln empor ragten, und da es nur wenig Brücken und Dämme gab, war es langwierig und beschwerlich, von einem der Wohnplätze zum andern zu gelangen, die, verborgen und geschützt durch die dichten und tiefen Brücher, über die Gegend zerstreut waren.

Jagd und Fischfang nährten einen großen Theil der Bewohner derselben; nur wenige Rübenarten und andere einheimische Gewächse bauten sie auf ihren kleinen Ackerfeldern. Um so größer aber waren ihre Herden, welche reichliche Nahrung auf den weiten Mooren und Wiesen fanden. Von den Ländern südlich der Elbe hatte sich zwar der Anbau einiger Getreidearten auch bis hierher verbreitet, doch war es mühselige und gar schwere Arbeit, die Hafer- und Gerstenkörner zu einem groben Mehle zu zerstampfen oder auf unbeholfenen Handmühlen zu zerkleinen.

In dieser Zeit lebte auf dem Glienicker Werder ein Mann, der solche Maschinen machen konnte; er arbeitete sie mit Beil und Messer, verkaufte sie, und nährte sich so gar kümmerlich mit Weib und Kind. Denn weil er die Handmühlen immer besser und leichter machen wollte, verbrachte er viel unnütze Zeit, und wenn er eine Mühle fertig hatte, die anders war, als die gebräuchlichen, wollte sie ihm Niemand abkaufen. So wurde er immer ärmer, und dazu plagte ihn seine Frau noch sehr mit Vorwürfen über seine Ungeschicklichkeit und Faulheit, welche Schuld sei, daß sie und die Kinder hungern mußten.

Der arme Mann war sehr unglücklich und wollte fast verzweifeln. Da trat einmal in der Mitternacht, als er eben ein Rad schnitzte, ein schwarzer Mann in seine Hütte. Das war aber ein böser Geist. Der sagte ihm, er wolle ihn reich machen, wenn er ihm eine Seele zur Qual übergebe. Der Mann aber erschrak sehr und wollte nicht. Im nächsten Monat kam der böse Geist wieder, und dann den dritten Monat auch, und während der Zeit gelang dem armen Manne nichts, und er und die Seinen mußten fast verhungen.

In dieser Nacht wachte aber seine Frau auf, als er wieder: „nein! nein!“ rief, und als sie hörte, was der böse Geist wollte, kam sie herbei und beredete den Mann, sie müßten eine Seele weg geben, damit sie nicht Alle umkämen. Als nun aber der Mann ja gesagt hatte, und der böse Geist eins der neun Kinder haben wollte, da schrie und heulte das Weib so, daß dem Geiste bange wurde, und als der Mond aufging, mußte er weg. Vorher aber fuhr er mit seiner Hand über den Kopf der Frau; da gingen alle ihre schönen langen Haare aus, die nahm der böse Geist mit und sagte: „Warte!“

Die andere Nacht klopfte der böse Geist an die Thür, rief den Mann leise heraus und führte ihn auf den Berg bei Glienicke, da wo jetzt die große Sandgrube ist. Dort warf er drei Rabenfedern in die Luft, und alsbald kam ein großer Sturm; der Gribnitsee brauste hoch auf, seine Wellen brachen durch zwischen ihnen und dem Babelsberge, und stürzten in die Havel; und als die Wasser wieder ruhig geworden waren, floß ein heller Bach aus dem Gribnitzsee in den Fluß.

Da führte der Geist den armen Mann an den Bach und lehrte ihm eine Mühle bauen, deren Rad das Wasser trieb. Das war die erste Wassermühle weit und breit in diesen Landen, und dreimal vierzig Jahre hat auf drei Hahnenrufe weit keine andere gebaut werden können. Der Mann aber wurde gar reich und lebte lange, und die neun Kinder waren seine Mühlknappen. Da kam die Pest ins Land; alle die Kinder starben nur er blieb leben in der Mühle und seine Frau; doch da er sich sehr grämte, starb er auch bald, und die Mutter begrub ihn zu den neun Söhnen, wo jetzt die große Linde vor dem Försterhause steht.

In die Mühle aber setzte der Grundherr einen andern Müller, der vertrieb die Mutter; doch kam diese in jeder Nacht wieder zu den Gräbern am See. Wo sie gestorben ist und begraben, das weiß Niemand; doch soll noch jetzt eine graue Alte sich in der Nacht unter den hohen Linden bei der Mühle zeigen.

Quelle: Karl v. Reinhard, Sagen und Mährchen aus Potsdams Vorzeit, Potsdam 1841, Verlag der Stuhrschen Buchhandlung