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Der Rittersprung

Bei Altenahr erhob sich auf steiler Felswand die Burg Are, die wegen ihrer durch die Natur geschützten und befestigten Lage für uneinnehmbar galt. Noch heute sind Überreste davon zu sehen. Eine Stelle des Burgberinges führt den Namen »Zum Rittersprung«, den die Sage in folgender Weise deutet: Ein junger Ritter von der Saffenburg begehrte Hildegunde, die Tochter des Grafen von Are, zum Weib. Das Burgfräulein nahm den ehrenvollen Antrag des ritterlichen Bewerbers an. Allein der Vater, der mit dem alten Saffenburger seit langer Zeit in unversöhnlicher Feindschaft lebte, wollte von einer ehelichen Verbindung nichts wissen. Mit tödlichem Hass war er gegen den jungen Ritter erfüllt. Dieser konnte deshalb auch nur des Nachts zum Besuch seiner Braut zu der Burg kommen. Gerne jedoch machte er den mühevollen und lebensgefährlichen Gang in nächtlicher Stunde. Bald aber erfuhr der Graf von den nächtlichen Besuchen des Ritters. Als in einer dunklen Nacht wieder der junge Saffenburger die steilen Felsen der Burg Are hinaufklomm, schreckte Waffengeklirr den Ahnungslosen auf. Bald sah er sich von Lanzenknechten umgeben. Allen voran stürzte der Burgherr rachedürstend auf ihn zu, ihm das blanke Schwert in das treue Herz zu stoßen. Der wehrlose Jüngling schien verloren. Jeder Widerstand wäre bei der Übermacht der Feinde aussichtslos gewesen. Und doch wollte er weder den Tod durch Feindeshand noch die Gefangenschaft wählen. Er stürzte sich rasch entschlossen mit gewagtem Sprung in die schauerliche Tiefe hinab, wo er, wie durch ein Wunder geschützt, unverletzt ankam. Bestürzt schauten die, welche ihn verderben wollten, in den Abgrund hinab. Der Graf aber, durch das kühne Wagestück und die wunderbare Errettung gerührt, gab nun seine Einwilligung und seinen Segen zu der Vermählung der beiden jungen Leute. Auch söhnte er sich mit den Eltern seines Schwiegersohnes aus.

Eine andere Sage erzählt zur Erklärung des Namens Folgendes: Einst zog von allen Seiten viel Kriegsvolk gegen die unbezwingbare Burg von Altenahr heran, um sie zu erobern und dem Untergang zu weihen. Doch der steile Fels und die starken Mauern boten den Angreifern Trotz, und die Belagerung zog sich sehr in die Länge. Wochen und Monate waren vergangen, und noch immer stand die Felsenburg unversehrt. Der Graf und seine Leute verteidigten sie mit rühmlicher Ausdauer und Tapferkeit. Alle Angriffe wurden zurückgeschlagen. Doch mit der Zeit waren Hungersnot und Krankheit willkommene Bundesgenossen der Feinde. Der Mangel an Lebensmitteln wurde bei der Besatzung immer fühlbarer, und Entbehrungen und Krankheiten rafften diese nach und nach dahin. Auch den Tod seines Weibes und seines einzigen Kindes hatte der Graf zu beklagen. Schmerz und Gram nagten an seinem Herzen. Trotzdem aber war er nicht geneigt, die Burg lebend dem Feind zu übergeben und in eine schmachvolle Gefangenschaft zu gehen. In voller Ausrüstung und auf dem geschmückten Streitross sitzend, zeigte er sich dem Feind und rief dröhnend ins Tal hinab: »Hier seht ihr auf dem letzten Ross des Schlosses letzten Mann. Alle anderen, auch mein Weib und Kind, hat der herbe Tod dahingerafft. Stets war ich ein Freier, und frei will ich auch sterben. Ich bin nicht gewillt, die schimpfliche Knechtschaft anzutreten.« Mit einem Blick gen Himmel gab er seinem Pferd die Sporen, und es setzte mit wildem Sprung über die jähe Felswand in die Tiefe hinab, wo die Fluten der Ahr Ross und Reiter begruben.

Quelle: Jos. Schiffels: Sagen, Legenden und Geschichten aus der Eifel, erster Band, Verlag Georg Fischer. Wittlich. 1912