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Die Kobolde in der Zeschaer Mühle

Vor langer, langer Zeit wußten die Menschen nur mit dem Wind oder dem Wasser ihre Mühlen zu treiben. Schlimm war es in trockenen Jahren, wenn die Bäche versiegten, Dann standen die Müller bei ruhenden Rädern, die Mehlsäcke blieben leer, und das Volk litt Not an Mehl und Brot.

In solch einem schlimmen Jahr hatte ein Bauer aus Naußlitz überall vergeblich gefragt, ob ihm jemand sein Korn mahlen wollte. Doch kein Müller weit und breit konnte arbeiten. Deshalb klagte der Bauer zu Hause, daß wohl bald das Essen knapp werden würde. Als das der Knecht hörte, sagte er: »So will ich versuchen, das Korn mahlen zu lassen: Ich habe einen Freund, der ist Müller in Zescha. Aber gebt mir einige Silbertaler mit! Das geschah, und der Knecht fuhr gegen Abend in die Zeschaer Feldmühle. Der Müller aber, den der Knecht bat, antwortete: „Mahlen? Unmöglich! Schau selbst, im Mühlgraben ist kein Wasser.„ Weil aber der Knecht gern sein Versprechen eingelöst hätte, wollte er warten, bis sich im Mühlgraben wenigstens soviel Wasser angesammelt hatte, daß es zum Mahlen seiner paar Säcke Getreide reichte.

Während er sich noch mit dem Müller unterhielt, kam ein fremder Müllergeselle und fragte nach Arbeit. Der Müller sagte: „Ja, Arbeit hätte ich genug, aber es ist kein Wasser zum Mahlen da.“ Darauf der Fremde: „Nun, wenn es weiter nichts ist, dann wird wohl Rat werden. Erlaubt, daß ich diese Säcke Korn mahle!„ Dabei zeigte er auf das Fuhrwerk des Knechtes. „Das darfst du schon, aber es ist ja kein Wasser da!“ entgegnete der Müller. „Das Wasser kommt“ rief der fremde Gesell zuversichtlich und hieß den Knecht die Säcke in die Mühle tragen; er solle aber darauf achten, daß das zugebundene Ende des Sackes immer nach hinten zeige, wenn er den Sack auf der Schulter trägt, Dann ging der Fremde in die Stube, um sich umzukleiden.

Die Müllerin brachte das Abendessen, und er aß mit. Danach betrachtete er die Mühle, das Mahlwerk und die Säcke, die der Knecht hineingetragen hatte, und sagte: „Um zehn Uhr beginne ich zu mahlen.„ Gegen halb zehn schickte er den Müller mit den Worten zu Bett: Ich möchte allein arbeiten. Schlaft euch inzwischen aus“ Der Müller ging zur Ruhe, nachdem er sich noch überzeugt hatte, daß im Mühlgraben ebensowenig Wasser war wie vordem.

Der Knecht versprach dem Müllerburschen: „Wenn du mein Korn mahlst, will ich dich gut belohnen„ und schenkte ihm zwei Taler. Das freute den Gesellen. Er verbot dem Knecht, während des Mahlens in die Mühle zu kommen oder durchs Fenster hineinzuschauen. Also legte sich der Knecht auf die Ofenbank. Bald nach zehn Uhr begann die Mühle zu klappern. Der Knecht freute sich, daß er nun doch noch Mehl nach Hause bringen würde, und horchte auf das Gepolter des Mahlwerkes.

Die Räder begannen sich immer schneller zu drehen, so daß das ganze Gebäude dröhnte und der Meister Müller erwachte. Neugierig stand er auf und schaute in den Mühlgraben. Aber dort war immer noch nicht genug Wasser zum Mahlen. Er ging zu dem Knecht und sagte: „Höre, Handrij, das kann nicht mit rechten Dingen zugehen. Was ist das nur für ein Kerl! Ich mag gar nicht erst nachsehen.“ Der Knecht erzählte ihm, daß ihm der Geselle verboten habe, in die Mühle zu kommen und zuzuschauen. So legte sich der Meister wieder schlafen. Der Knecht aber konnte sich nicht halten und blickte doch einmal vorsichtig durchs Türfenster in die Mahlstube. Und was sah er? Eine ganze Schar winziger Männlein war dort am Werk!

Einige drehten mit aller Kraft das Rad, andere trugen das Korn nach oben und schütteten auf, und schließlich schaufelten ein paar das fertige Mehl in die Säcke und banden sie zu. Der Geselle aber ging hin und her und trieb alle zur Eile. Eben kam ein Männlein die Treppe heruntergelaufen. Da bemerkte es, daß der Knecht zum Fenster hereinschaute. Es lief zum Gesellen und rief: „Dort guckt einer herein!“ Der Bursche wurde ärgerlich, ergriff einen Kehrbesen und warf ihn durchs Fenster. Der Knecht, den das Glas verletzt hatte, flüchtete in die Stube. Es dauerte nicht lange, und die Mühle stand still. Der Morgen graute. Als der Müller aufstand sprach der Geselle: „Meister, was in der Mahlstube stand, ist gemahlen. Ich denke, ich bin hier nicht mehr vonnöten, daher will ich weiterwandern!“ Dem Meister war es recht. Er fragte auch nicht, auf welche Weise er gemahlen hatte. Nach dem Frühstück ging der Fremde seines Weges. Man hat ihn nicht wieder gesehen: Der Kleine aber kehrte fröhlich mit dem Wagen voll Mehl zu seinem Bauern zurück.

Quelle: Erich Krawc, „Sagen der Lausitz“, Domowina Verlag 1962;