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Der Hirt bei Jesau

Zwischen Jesau und Deutschbaselitz weidete ein Hirt gern seine Schafe auf einem Felde, das heute wüst liegt und von großen Steinen übersät ist. Er saß oft unter einer Eiche, schaute den Wolken nach und träumte. So überhörte er einmal das Mittagläuten im Dorf und vergaß, seine Herde heimzutreiben. Die Schafe lagen satt und schläfrig zu seinen Füßen. Da zeigte sich plötzlich die Mittagsfrau. Sie stierte ihn boshaft an und verlangte: „Erzähle mir von deinen Schafen!„ Der Hirt, zu Tode erschrocken, suchte alles zusammen, was er nur wußte, und erzählte stotternd. Aber die Zeit schlich gar langsam dahin, und es war kaum eine halbe Stunde vergangen, da wußte er nichts mehr zu sagen. Ängstlich hoffte er auf den Schlag der Turmuhr im Dorf - aber die Mittagsfrau stand unbarmherzig neben ihm. Er konnte nicht weiter.

Was weiter geschah, weiß niemand. Als er mit der Herde nicht heimkehrte, suchten ihn die Leute. Aber sie fanden nur einen größeren Felsblock und viele Steine um ihn herum. Die Mittagsfrau hatte Hirt und Herde zu Stein verwandelt.

Quelle: Erich Krawc, „Sagen der Lausitz“, Domowina Verlag 1962;