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Die ungetreue Spinnerin

Das Dorf Lauske bei Hochkirch hat einen herrlichen Park, der auf zwei alten Burgwällen oder Schanzen angelegt ist. Dort hütete vor langer Zeit eine arme Kuhhirtin die Herde ihrer Herrschaft. Nebenbei spann sie, wie das bei den Sorben üblich war, auf einer Spindel. Ihr Söhnchen half der Mutter beim Hüten.

Plötzlich stand eine graue alte Frau manche sagen, es sei die Mittagsfrau gewesen vor ihr und fragte, ob sie ihr etwas Garn spinnen wolle. Die Hirtin sagte ja, und die Frau schob ihr ein Häufchen Flachs zu. „Aber nehmt mir ja nichts von dem Flachs oder Garn weg!„ gebot sie ihr streng und war verschwunden.

Die junge Frau begann sogleich zu spinnen. Als schon ein gut Teil fertig war, kam ihr kleiner Junge angelaufen und klagte, daß er sein ledernes Heftel verloren habe, mit dem damals die Ärmel der Hemden zusammengehalten wurden. „Gib her“ sagte die Mutter, „ich werde dir den Ärmel einstweilen zubinden!“ Sie riß einen Faden Garn ab und wollte gerade das Bündchen zusammenheften. Sie hatte an nichts Böses gedacht. Doch plötzlich stand die graue Frau wieder vor ihr, schalt sie mit bösem Blick und verlangte sofort alles Garn und den übrigen Macs zurück. Dann sagte sie zu ihr: „Halte die Schürze auf, hier hast du deinen Lohn,„ Damit streute sie ihr eine Handvoll dürres Laub hinein und verschwand. Ärgerlich schüttete die Hirtin die Blätter wieder auf die Erde; was sollte sie denn damit anfangen!

Als sie zu Hause die Schürze abband, fiel plötzlich etwas Schweres klingend zu Boden. Es war ein rotes, leuchtendes Goldstück! Jetzt erst merkte sie, daß das Laub in ihrer Schürze lauter goldene Blätter gewesen waren. Obwohl sie nun gleich wieder in den Wald zurücklief, um die weggeworfenen Blätter zu suchen, fand sie kein einziges mehr.

Quelle: Erich Krawc, „Sagen der Lausitz“, Domowina Verlag 1962;