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Der unterirdische Gang in Spremberg

Nahe bei Spremberg, jenseits der Spree, befindet sich ein Hügel, auf dem ehemals eine sehr reich dotierte Kapelle stand. Zu dieser Kapelle, so behauptet die Sage, führte von Spremberg aus ein geheimnisvoller unterirdischer Gang. Die Spremberger wollen einstmals gern wissen, was es mit diesem Gang für eine Bewandtnis habe, Sie schenkten einem zum Tode verurteilten Manne das Leben; er sollte den Gang untersuchen und an der Kapelle wieder herauskommen. Der arme Sünder war damit sehr zufrieden und machte sich auf den Weg, kam aber niemals wieder zum Vorschein. Jedermann glaubte, er sei im Gange verunglückt oder von bösen Geistern getötet worden, daher wurde keine Untersuchung angestellt.

Einige Jahre später kamen einige Spremberger nach Zittau, und wem begegneten sie dort! Dem zum Tode verurteilten armen Sünder. Sie erkannten ihn auf der Stelle, obgleich er ein wohlhabender und angesehener Bürger geworden war, und im Vertrauen erzählte er ihnen, wie es ihm damals ergangen war. Als er nämlich eine Weile sich in dem Gange vorangetastet hatte, hörte er Hundegebell über sich und schloß daraus, daß er sich unter der Scharfrichterei befinde. Gleich darauf erschien ein Geist mit einem brennenden Lichte und fragte ihn, wohin er wolle. Der arme Sünder antwortete: „Ich bin zum Tode verurteilt und muß sterben, wenn ich nicht auf diesem Wege zur Kapelle komme.„ „Geh nur weiter“ antwortete der Geist, „sein Glück ist gemacht.„ Hierauf kam der Mann in ein Gewölbe, in dem die Figuren der zwölf Apostel aus purem Golde standen, jede etwa einen Arm lang. Hier verweilte er, bis nach seiner Berechnung der Abend angebrochen war, kehrte dann um und nahm einen der Apostel mit.

Ins Freie gelangt, ging er der böhmischen Grenze zu. Dort zerschlug er seinen goldenen Schatz, verwandelte ihn stückweise in klingende Münze und ließ sich schließlich als ehrsamer Bürger in Zittau nieder.

Quelle: Erich Krawc, „Sagen der Lausitz“, Domowina Verlag 1962;