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Die Sage von dem falschen Woldemar

  Nach Werner, Chronica des Stiffts Magdeburg, S. 76 etc.

Wes wunderbarlicher Sache sich unter Otto, dem einunddreißigsten Erzbischoffe von Magdeburg zugetragen, ob sie wol einer Fabel mehr denn einer Geschichte ähnlich, mag ich doch an dieser Stelle mit Stillschweigen nicht übergehen, sonderlich weil wir fast dergl. Historias von Herzog Carle von Burgund (welcher Anno Christi 1477 gelebt vnd am Abend Trium Regum itzgenannten Jahres vor Nansen erschlagen worden) bey glaubwürdigen Scribenten lesen. So ists auch bey vielen noch unvergessen, wes Abentheur sich bey Querfurt vor wenig Jahren zugetragen, da sich ein Eisgrauer alter Mann aus einem Berge herausgemacht vnd bey männiglichem vorgeben dürffen, als daß er der verstorbene Keyser Fridrich wäre etc.

Es ist zu dieses Herrn Zeiten ein Man in der Marck Brandenburg hervor kommen, welcher sich vor einen Marggraffen zu Brandenburg außgegeben, und Woldemarum nennen lassen, ungeachtet daß Marggraff Woldemar zu dieser Zeit allbereit vor neun und zwantzig Jahren in Gott verschieden und in vieler Leute Gegenwart, die damals noch im Leben, im Kloster Corin, cistercienser Ordens, war begraben worden.

Dieser weil er dem abgestorbenen Woldemaro von Leibesgestalt vnd Angesicht durchaus ähnlich, hat er dadurch viel guter Leute hohes vnd niedriges Standes gleichsam verzaubert vnd geäffet. Denn da er hierüber zur Rede gesetzt worden, ob er denn Marggraff Woldemar wäre, so vor Jahren allbereit gestorben und begraben etc., hat er beständiglich darauff geantwortet, daß ers ja sey, aber er sey damals weder gestorben noch begraben worden, sondern er hab sich kranck gestellet und habe einen andern an seine stell begraben lassen. Er sey aber mitlerweile willig in das Exilium gegangen und diese schwere Wallfahrt auff sich genommen. Da man ihn aber weiter gefraget: warumb er denn sein erbliches Fürstenthumb so eine geraume Zeit verlassen hätte? da hat er geantwortet: er hätte solches seines Gemahls halben gerne gethan, welche er im verbotenen Grad, und also viel zu nahe ins Geblüte gefreiet, damit er nun für diese Mißhandlung schuldige Buße wircken und seinem Gemahl an anderweiter Verheiratung keine Verhindernis zufügen möchte, habe er aus guter Vorbedachtung sich also von ihr abgesondert.

Auff solche und mehr dergleichen Anschläge ist erfolget, daß auch etliche von Fürsten, Graffen, auch viel vom Adel, und etliche erbare Städte ihn vor Marggraffen Woldemarum auffgenommen und erkennet haben, darunter auch dieser Erz-Bischoff Otto, die Hertzogen von Sachsen, die Hertzogen von Stettin und Sunde, auch die Fürsten von Anhalt, neben etliche Städten Berlin, Brandenburg, Stendal und andere gewesen seyn, welchen doch ein gut Theil baldt wiederumb von ihm abgelassen haben. Ja auch Kaiser Carolus Quartus selbst hat ihme im Reichstagen und andern Versammlungen den Sitz der Marggraffen zu Brandenburg willig eingeräumet. Nachdem er nun neun Jahr lang in solcher reputation gesessen, ist er gestorben und zu Dessaw in einer Capelle vor Marggraff Woldemarum honorifice begraben worden.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 30-31