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Der Wunzen-Teich bei Groß-Teuplitz

  Schneider, Zilmsdorfer Begräbnißplätze, Anhang, Heft 1

In der Grafschaft Pförten um Groß-Teuplitz herum war sonst nur undurchdringliche Wildniß und mitten in derselben ein tiefer Teich. Der Wald ist verschwunden, aber der Teich ist noch vorhanden; denn die Menschen können wohl die Bäume fällen, aber das Wasser können sie nicht so leicht ausschöpfen. Dorthin flüchtete sich um das Jahr 524 nach Auflösung des thüringischen Reichs unter Hermannfried ein edler Thüringer, Bodo von Wunzen, mit mehreren Heidenpriestern und treuen Dienern und erbauete am westlichen Ende des Teiches eine feste Burg. Noch schaut man die Wälle derselben, bewachsen mit hundertjährigen Eichen. Dort hausete der alte Ritter in trauriger Oede und Einsamkeit. Adalbert, sein einziger Sohn, war im harten Kampfe von einem mit den feindlichen Franken verbundenen Sachsen überwunden, gefangen genommen und weggeführt, und so aus einem thüringischen Edlen ein sächsischer Dienstmann geworden.

Doch gereichte dieses Dienstverhältniß ihm zu einer andern Freiheit, denn er lernte die heilsame Lehre des Evangeliums kennen, die damals unter dem heidnischen Volke noch ein Geheimniß einzelner Familien war. Die holde Emma von Särichen lehrte sie ihn, und es war zweifelhaft, ob die Liebe der Religion, oder die Religion der Liebe mehr Vorschub leistete. Von einer Ehe zwischen einem Dienstmanne und einem Edelfräulein konnte aber in jenen Seiten nicht die Rede sein. Daher entflohen die Liebenden und richteten ihren Weg auf Vater Bodo's Burg zu, dessen Aufenthalt sie erforscht hatten. Bodo hatte aber seinerseits den Abfall seines Sohnes von der alten heidnischen Religion erkundet. Und als er Adalbert und Emma auf einem Nachen über den See auf seine Burg zufahren sah, so verfluchte er den Abtrünnigen, und die Priester, die bei ihm waren, eilten an den See und bewirkten durch ihre Zauberbeschwörungen, daß ein schreckliches Unwetter losbrach. Der Himmel verfinsterte sich, der Sturm heulte und die Wellen gingen so hoch, daß der kleine Kahn umschlug und die Liebenden in den Wellen versanken. Beide hielten sich zärtlich umfaßt, als sie der Sturm in das Wasser stürzte. So sieht man sie noch jetzt oft mitten im Teiche erscheinen zur Mittagszeit zwischen Ostern und Pfingsten. Doch bleiben sie nicht lange über dem Wasser, sondern versinken bald wieder in die Tiefe. Dann erscheinen an derselben Stelle zwei weiße Lilien, die bis zum nächsten Mittage blühen. Manche wollen vor dem Aufblühen der Lilien auch nur die Erscheinung eines weißgekleideten Kindes gesehen haben. Jede dieser Erscheinungen ist aber ein Anzeichen, daß Jemand in dem Teiche bald ertrinken wird.

Emma's Mutter, Barbara, soll Särichen bei Spremberg, und Zielmann, der Diener Bodo's, welcher ihm Adalbert's Abfall verrieth, Zilmsdorf bei Muskau erbaut haben. Bodo, aber starb zugleich mit seinen Kindern, denn bei dem durch die Priester des Zorngottes Pustrich erregten Unwetter zündete ein Blitz seine Burg an und erschlug ihn. Der Teich aber, an welchem die Burg stand, heißt noch heute von ihm der Wunzenteich.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862