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Das Kloster Neuzelle

  Destinata lit. Lusatica, P. V., p. 376; 
  Haupt, N. Laus. Magaz., Bd. 40, S. 389.

„Das Cisterzienserkloster Neuzelle (Neuzell, Neuenzelle, monasterium novae cellae) bei Guben, jetzt ein evangelisches Schullehrer-Seminar, nahm seinen Anfang im Jahre 1230 unter Heinrich, dem berühmten und freigebigen Markgrafen von Meißen, Lausitz und Libonotrien, Palatin von Sachsen und erstem Markgrafen von Thüringen. Dieser Fürst kam nach einer alten Sage (secundum antiquam traditionem) im Jahre 1227 mit fünfhundert edlen und in Waffen geübten Rittern und großer Kriegsrüstung nach Preußen zur Bekämpfung und Vernichtung der Ungläubigen und zur Ausbreitung des christlichen Namens und Reiches, war auch in seinem Unternehmen gar glücklich.

Als er im Jahre 1228 als Sieger zurückkehrte, und mit seinen Kriegern zu dem Dorfe Starzeddel kam, um dort zu rasten, sah er auf den Bäumen in der Ebene viele Tauben sitzen und sagte: „Hier könnten wohl besser vernünftige Tauben wohnen.“ Und wie in jenen thatenreichen Zeiten die Männer nicht säumten, ihre guten Gedanken zur Ausführung zu bringen, so beschloß der tapfere Kriegsheld auch sofort die Errichtung eines Klosters der Cisterzienser, die wegen ihrer weißen Tracht füglich für die Tauben unter den Mönchen gelten können. Diese kamen aus dem Kloster Alten-Celle, andere Nachrichten sagen, aus dem Kloster Lehnin, und hauseten zuerst in Starzeddel.

Man kennt aber aus dieser Zeit keinen Abt, Prior oder Subprior. Später, im Jahre 1268, zogen sie in die Gegend des Dorfes Schlaben, dorthin, wo noch jetzt die Klostergebäude der neuen Celle stehen. An dem Orte, wo man die Kirche erbaute, war ein hoher Sandberg, den trug man ab, schaffte ihn weiter fort und machte ihn zu einem Weinberge, der wegen seiner runden Gestalt „die Scheibe“ heißt. Diesen Umstand verewigt eine Inschrift inmitten des Kirchturms: Ecclesiae loco, quo sto cum ambitu toto, Mons fuit hic magnus scripti cacuminis hujus. D. h.: „An dem Orte, wo ich jetzt mit meiner ganzen Umgebung stehe, war ein großer Berg von der Höhe dieser Inschrift.“

Anmerkungen von Karl Haupt:

Die Kirche steht auf einem altheiligen Orte. Der Berg heißt nicht Scheibe von seiner runden Gestalt. Ebenso wenig trifft es zu, wenn man von andern Scheibebergen (es giebt deren wohl über 30 in der Lausitz) fabelt, sie haben den Namen von Schießübungen und einer zu diesem Behufe aufgestellten Scheibe. Das häufige Vorkommen dieses Namens an mythologisch auch sonst markirten Orten, z.B. bei Hainewalde, im Laubaner Nonnenwalde, bei Wießcollm a.d. Spree, bei Volkersdorf rechtfertigt die Ableitung der Siba oder Schiba, einer wendischen Göttin des Lebens, der liebe und der Fruchtbarkeit. Eine andere Spur dieses Namens finde ich in dem Provincialismus „Schiebe“ für ein Mutterschaf, so lange es ein Junges säugt. (Antons Idioticon)

Quelle: