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Gründung Löbau's

  Sintenis I. S. 94. 
  Oberl. Kirchengallerie S. 138 ff.

I.

Viele sagen, daß die Stadt von dem alten böhmischen Herzog Kroko gebaut worden sei und von dessen Tochter, der nachmaligen Böhmenkönigin Libussa den Namen erhalten habe. Nach Libussa's Tode habe sich deren Dienerin Wlasta, eine mährische Jungfrau, gegen den Böhmenherzog aufgelehnt und in dem dadurch entstandenen sogenannten Mägdekriege von einem Schlosse Devin aus, das sie nicht weit von Löbau erbaut, diese noch kleine Stadt und die ganze Löbauer Gegend mit Mord und Brand verwüstet.

II.

Zwischen Löbau und Großschweidniß befindet sich ein Quell, der mit der Entstehung Löbau's zusammenhängt. Vor mehr als tausend Jahren lebte ein tapferer Slavenjüngling, Namens Mlink oder Monk. Der war zum Sterben verliebt in Marja, die Tochter eines Slavenhäuptlings. Aber er konnte nur heimlich mit ihr zusammenkommen, da der Vater der Geliebten dem Bunde grollte. Einst wandelte er in stiller Mitternacht mit Marja am Ufer eines Stroms. Da erschien den Liebenden plötzlich die Fee Pichipownicza und verkündigte Mlink, daß er nur immer gegen Sonnenaufgang ziehen sollte. Dort würde er ein schönes Land finden, das solle er sich erkämpfen. Dann würde Marja sein werden. Da trennten sich die Liebenden.

Der tapfere Jüngling bestieg sein Roß und ritt immer gen Sonnenaufgang, Durch Wälder und Sümpfe, Einöden und Schluchten brach er sich Bahn. Mit Riesen und Zwergen, Drachen und bösen Geistern kämpfte er und überwand sie alle. Da kam er in ein reizendes Thal, wo ein herrlicher Bergstrom dahinrauschte. Da rief der Jüngling aus: Jow sso mi lubi, hier gefällt es mir! und er durchstreifte den Wald und kam an einen herrlichen Quell. Da erschien ihm wieder die Fee und befahl ihm, hier eine Stadt zu gründen. Darauf kehrte er zurück an den Hof seines Fürsten und verkündigte ihm, welch schönes Land er gefunden. Da machte sich der alte Häuptling auf und der ganze Stamm schaarte sich um ihn und sie zogen gen Sonnenaufgang, bis sie in das Thal gelangten, und wo der köstliche Quell entspringt, gründeten sie eine Stadt und verehrten die gütige Fee Pichipownicza. Mlink und Marja aber wurden ein glückliches Paar.

Anmerkungen:

1. Diese Sage trägt stellenweise die Zeichen der Erfindung. Die Namen sind sicher unächt. Es ist auch nicht die Spur von Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß Pripolnija (s. Th. I. No. 74–76.) zugleich Brunnennymphe sein könne.

2. Der Name Löbau läßt sehr viele Deutungen zu. Er wird in alten Urkunden geschrieben: (1239) Lubavia, ( 1267) Lubove, später bis 1400 Lobaw, Lubawe, Lubowe, selten Leubaw, Lebaw, Libaw, das Löbauer Wasser: Lubata. Die Stadt heißt heutzutage noch im Volksmunde, die Liebe„ (wie Zittau „ die Sitte“). Ableitungen: 1) von lobio, Tiefe, Thal, weil es im Thale liegt, das dazugehörige Dorf heißt Tiefendorf, urkundlich 1306 Diebeddorpp; 2) bon luby, lieblich, weil es schon liegt; 3) von lipa, linde, weil es vielleicht unter Linden lag; 4) von Lubbe, von dem guten lubben, einem (germanischen oder slavischen) Götzen, ( Förstemann's Mittheil.V. 116.); 5) von einer slavischen Liebesgöttin Louba (vergl. No. 192. Anm.), die schließlich eins sein soll mit der sagenhaften Gründerin der Stadt, der Königin Libussa oder Lubuscha. Diese große Unsicherheit bei der Ableitung wiederholt sich bei Lauban, Lübben, Leuba u. s. w.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862