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Erbauung der Jakobskirche in Görlitz

  Mündlich, 
  Samml. S. Bresi. Lusatia No. 12. msc. 
  Schön, No. 73. msc.

Es war zu Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts, als ein reicher Görlitzer Bürger, (man sagt, er habe Frenzel geheißen, Andere nennen ihn Jakob) wegen eines begangenen groben Verbrechens hingerichtet werden sollte. Um nun bei Gott Vergebung seiner Sünden zu erlangen und seine Seele zu retten, bestimmte er einen großen Theil seines Vermögens zur Erbauung einer Kirche auf der Stelle, wo sein Geist den Leib verlassen würde. Damit dies nicht auf dem Richtplatze geschähe, weil an diesem entweihten Orte ein Gotteshaus nicht hätte errichtet werden dürfen, so verordnete er, daß, sobald er enthauptet sein würde, man den Rumpf mit einem Stücke Rasen bedecken, von zwei Personen unter die Arme fassen und soweit fortführen lassen sollte, bis er zusammensänke.

Dies geschah. Er ward vor dem Frauenthore auf dem dasigen freien Platze enthauptet und lief ohne Kopf noch bis dahin, wo jetzt die Jakobskirche steht, die aus dem dazu gewidmeten Legate erbaut ward. Das übrige Vermögen vermachte seine Wittwe dann zu der Errichtung des Hospitals. Ein in der Sakristei der Kirche aufbewahrter Stein ist aus dem Rasenstücke, welches zur Stillung des Blutes gedient hatte, entstanden, indem derselbe nach und nach erhärtete und versteinerte. Auf einem alten Altartuche ist der von zwei Personen geführte Hingerichtete mit dem Rasen auf dem geköpften Rumpfe in kunstvoller Weberei dargestellt, und an die Familie des Stifters erinnert ein steinernes Standbild der Wittwe mit ihren beiden Kindern auf dem Arme.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862