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Die Peterskirche in Görlitz

  N. Script. rer. Lus. II. 410. 
  N. L. Mag. 1838 S. 1. 
  Brüdner, Umgangszettel 1796.

I.

Von der Peterskirche in Görlitz erzählt man sich, daß Cyrillus, Bischof zu Olmütz, der den Böhmenherzog Borzivoy im Jahre 844 zum christlichen Glauben bekehrte, sie zur Ehre des Apostelfürsten Petrus errichtet und seinem Gehülfen Methodius anbefohlen habe, der sie auch einige Jahre regierte. Sie ward auf dem Hügel erbaut, wo sonst die Burg Drebnow stand. (Vergl. I. 2.)

Anmerkungen: Der älteste Theil der Kirche ist die unterirdische Kapelle zum heil. Georg mit einem tiefen Brunnen. Sie war ohne Zweifel ursprünglich Burgkapelle. St. Georg ist der Schutz-Heilige der Schlösser und Burgen.

II.

An der Morgenseite der Peterskirche, fast über der äußeren Thüre der St. Georgenkapelle, ist oben unter dem Dache ein in Stein gehauener Mann mit kreuzweis verschränkten Beinen und über sich geschlagenen Händen zu sehen. Die Sage berichtet, dies sei das Bild eines Zimmermannes, welcher beim Bau der Kirche vom Dache hinuntergefallen sei, aber mitten im Fallen die Kraft und Geistesgegenwart gehabt habe, seine Axt, die er in der Hand hielt, so tief in den Balken zu hauen, daß er sich daran erhalten konnte, bis ihm andere Hülfe kam.

III.

An der Mittagsseite der Peterskirche führt eine Thür in ein kleines abgesondertes Gemach. Das heißt die Tetzelskammer, weil daselbst der berüchtigte Ablaßkrämer Tetzel seine „Butterbriefe“ feil hielt. Die Volkssage setzt hinzu, der an dem gegenüberstehenden Eckhause der Petersstraße aus der Wand herausschauende steinerne Kopf eines Mannes mit Schnurr- und Knebelbart sei Tetzels Abbild und zum Andenken an seinen Ablaßkram in Görlitz daselbst errichtet.

Anmerkungen: Tetzel war im November und December 1508 in Budissin und kam dann nach Görlitz, wo er bis gegen Martini 1509 blieb und von der reichen Stadt und Gegend bedeutende Sunmen lucrirte, obgleich, wie Haß in seinen Annalen schreibt, fast nur alte Weiber seine Ablaßbriefe kauften.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862