<<< vorherige Sage | Dritte Abtheilung: Ortssagen | nächste Sage >>>

Woher das Bautzener Sprichwort kommt: „Zu Bautzen hängt man Diebe zweimal"

  Frenzel, hist. nat. III. S. 375. msc. 
  Laus. Mag. 1772 S. 27.

Um die Mitte des 16. Jahrhunderts hat sich ein Student aus Polen nach Budissin gewendet und daselbst eine Weile aufgehalten. Weil er nun eines melancholischen Temperaments war und mitunter mancherlei wahnwitzige Dinge vornahm, so nannte man ihn gemeiniglich den tollen Bartholomäus. Wie es nun zu geschehen pflegt, daß dergleichen tiefsinnige Personen von gewöhnlichen Leuten häufig verspottet werden, so ging es auch mit diesem polnischen Studenten. Als ihn nun einmal ein Schuster Namens Hienke, wohnhaft an der Seydauer Brücke, nicht wenig verspottet und für ein Paar ihm gefertigte Schuhe die Bezahlung mit großem Ungestüm verlangt hatte, so fragte er den Schuster im Eifer, ob er nicht zu seiner Bezahlung dürres Leder annehmen wollte? Der Schuster geht dies ein.

Was thut nun der tolle Barthel? Er ersteigt an einem Sonnabend (den 17. September 1558) um Mitternacht den vor dem Lauenthore befindlichen Galgen, nimmt zwei daran befindliche Körper, so fast drei Jahre gehangen hatten, davon ab, trägt solche, denn er war ein großer und starker Mensch, auf seiner Achsel und unter dem einen Arme im Dunkeln über die Viehweide, den heil. Geistberg und die Seydauer Brücke an die Drahtmühle und lehnt sodann den einen Körper an die Hausthüre des obenbenannten Schusters, den andern aber schiebt er dem dort wohnenden Drahtzieher, dessen Tochter ihn auch verirt hatte, zum Fenster hinein. Da nun der Schuster am andern Morgen früh seine Hausthüre aufmacht, wird er seine dürre Bezahlung, sowie der Drahtzieher seine Beschimpfung mit Schrecken gewahr.

Beide zeigen diese verwegene und boshafte That gerichtlich an. Der Student wird arretirt, vernommen und sodann sammt einer großen Bürde Bücher, die er beständig mit sich herum führte, in ein Faß gespündet und auf diese Weise über die Grenze gebracht. Mitten in der Görlitzer Haide setzten ihn sodann die Fuhrleute ab und machten sich schleunig aus dem Staube. Die beiden Gehenkten aber mußte der Scharfrichter wiederum an Ort und Stelle schaffen und nochmals in aller Form Rechtens henken lassen, wofür er auch den sonst gebräuchlichen Lohn noch einmal bekommen hat. Seit dieser Zeit sagt man: „Zu Bautzen henkt man die Diebe zweimal.“

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862