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Der Stein auf dem Markte in Budissin

  Böhland, die merkwürdigen Schicksale ac. S. 78ff. 
  C. Wilke, Chronik der Stadt B. 1843. S. 57. 
  Großer, Merkwürdigk. I. S. 105. 
  Ziehnert I. S. 241.

Am 29. Mai 1405 hatten die Bürger von Budissin, die Tuchmacher an der Spitze, sich gegen den Rath empört, selbigen abgeseßt und einen neuen erwählt. Der böhmische Landvoigt auf Schloß Ortenburg hat vergeblich getrachtet, Ruhe und Ordnung wieder herzustellen. Ein unruhiges Wesen hatte sich der Einwohner bemächtiget und Handel und Gewerbe lagen traurig darnieder.

Da ist endlich der König Wenzel von Böhmen in eigener Person mit seiner Gemahlin Sophie nach Budissin gekommen und hat am 30. September 1409 ein strenges Gericht gebalten. Beide Parteien wurden vor ihn auf das Rathhaus beschieden, wo König Wenzel auf dem Burgemeisterstuhle saß und sprach: „Hier sitze ich, der ächte Burgemeister, wer was zu klagen hat, der thue es.“ Da klagten denn der alte und der neue Rath einander gegenseitig an, der neue aber wurde für schuldig befunden, sogleich in ein Nebenzimmer geführt und von drei Henkern gebunden. Dasselbe geschah mit allen denen, die an dem Aufruhr in Meißen betheiligt gewesen waren. Das Urtheil des Königs aber lautete für hundert Mann auf Tod durch Henkers Hand.

Da erfüllte sich die Stadt mit dem herzzerreißendsten Wehklagen und Jammern der Weiber und Kinder der Verurtheilten. König Wenzel aber kannte keine Milde, die Verurtheilten wurden gebunden auf den Marktplatz geführt und der Henker begann sein schreckliches Amt. Schon waren nicht weniger als vierzehn Köpfe gefallen, da rief die Gemahlin des Königs, die am Markte in dem Hause des Fleischhauers Lukas der Hinrichtung zusah, gerade als der Scharfrichter bei dem fünfzehnten ausholte: „Halt ein, Henker, es ist genug!„ und ihr Gatte ließ sich durch ihre Bitten bewegen, den übrigen das Leben zu schenken; aber in die Verbannung mußten sie wandern allesammt auf der Stelle mit Weib und Kind.

Auf dem Wassertroge des Budissiner Marktes befindet sich noch heute die steinerne Platte, auf der die Hinrichtung stattgefunden hat. Die Namen der vierzehn Hingerichteten wurden aber in die Klinge des Richtschwertes eingegraben. Dieses Richtschwert befindet sich noch beute auf dem Rathhause, aber die Namen sind nicht darauf. Vielleicht ist dies jedoch nicht mehr die selbe Klinge.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862