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Von dem Volke der Luten

  I. Destin. lit. ll. S. 11. 
  Manlius in Hoffm. script.I. 143. 
  cf. Tacitus Germ. c. 16. 43. 
  Strabo, VII. c. 1. 
  Caesar de b. gall. l. 6. 8. 
  Ptolem. II. 11.

Die Luten, Lujen oder Susen, wie sie auch genannt werden, sind das deutsche Stammvolk, welches vor dem Einbruch der slavischen Sorbenwenden die Lausitz bewohnte. Diese nahmen nach deren Vertreibung ihren berühmten Namen an und nannten sich Lutitier oder Lusizier, woraus dann das Wort Lausitzer und Lausitz entsprungen ist. Die Luten waren ein großes, tapferes und mächtiges Volk, welches sich weit über die Grenzen der Lausitz ausgebreitet hatte, gehörten zu der Nation der Sueven und wohnten, wie diese pflegten, in offenen Städten und Dörfern, deren Häuser nicht zusammenhängend an einander gebaut waren, sondern zerstreut auf den Fluren und in den Wäldern umher lagen, wie dies schon Tacitus und Julius Cäsar beschreiben. Sie bauten sich gern auf Anhöhen und an Flüssen an, welche mit Wäldern umgeben waren. Einen solchen zerstreuten Haufen von Wohnungen nannten sie eine Burg, und den Hof, wo der Anführer oder Vorsteher wohnte, ein Burgwart.

Anmerkungen:

  1. Loūtoi, lovtioi, lovtotoi findet sich in manchen Handschriften des Ptolemaeus das Volk geschrieben, welches sonst gewöhnlich lovgioi, bei Zosimuố (1., 67.) logiwves, lat. Lygii, Lugii, Lugiones heißt, ein anderer Name für die Sueven, nach Schafarif (slab. Alterth. I., 406) von geographischer Bedeutung und slavischer Wurzel, denn Luhy heißt Wald oder Sumpf. Nach der irrigen, gründlich wiederlegten Meinung mancher Slavisten ist ja bekanntlich Ostdeutschland ursprünglich slavisch. Schafarit jedoch verlegt dieses Urland nicht in die Lausitz, sondern zwischen Oder und Weichsel. Wohl aber nimmt er an, daß die Slaven bei ihrer Besitzergreifung der Lausitz den Namen des Urlandes auf ihre neue Heimath übertrugen, was sie um so eher konnten, weil die natürliche Beschaffenheit dieses Landes der Urbedeutung so sehr entsprach. Luzice soll Diminutiv von Luhy sein. Die härtere Form Luhi oder Lugi ist noch zu finden in lausitischen Ortsnamen: Luckau, Luga (wend. Luh ). Wald und Sumpf scheinen nicht nur geographisch zusammengehörig, sondern auch sprachlich verwandt. Vgl. lucus und lacus, loh, ahd. = Busch, kelt. lluin und lache, Lauge, wend. luh Feuchtigkeit, luka Wiese, luza Lache, Lusche. Von letzterem wird gewöhnlich der Name Lausitz abgeleitet und geographisch paßt das auch auf die Niederlausitz sehr gut, welche übrigens die Lausitz xat & Boxův ist. Der Oberwende versteht unter Luziczan blos den Niederlausitzer, und in der That scheint der Name Lausitz sich von Norden her ausgebreitet zuhaben. Die Oberlausitz heißt ursprünglich das Milcziener - Land, später Budissin und das Görlitzer Land. Daß diese zweite Ableitung von Luza, Lusche, Luse = Sumpf vorzuziehen sei, bestätigt auch die zweite Lesart des alten Volksnamens Lusen. (Die dritte „ Suseni“ mag wohl auf einem Schreibfehler beruhen.) Das dem Wald und Wasser Gemeinsame ist übrigens der Begriff des Feuchten (Vgl. Th. I. No. 145. Anmerk. 2 und 3.)
  2. Es ist aber auch möglich, daß das Volk der Luten nicht mit den Lygiern zusammenfällt und mit dem Namen der Lausitz ebenfalls nichts zu thun hat, sondern einfach von dem den Germanen wie Slaven gemeinsamen Worte Lud (lut, ljut) = Volk herrührt. (Vgl. Th. I. No. 43. Anmerk.)
  3. Von den Luten sollen die Ortsnamen: Lute, Leutel, Leutelchen, Leiter, Laute herkommen.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862