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Die Geistlichkeit von Muskau errettet einen Manichäer von seinem Pakt mit dem Teufel

Der verlohrene und wiedergebohrene Manschäer oder christliche Tauffsermon, so vor der von dem vormahls Manichäisch gewesenen Tyllius Weiß, inständigst verlangten heiligen Tauffe einfältig und gut als es die vielfältige Amts-Arbeit zugelassen u. s.w. gehalten worden u. s. w. mitgetheilt von Martino Francisci, Peiz Lusat. damaligem Diaconus an der Kirchen zu Muscau, anizzo aber Prediger der evang. Kirchgemeinde in Budissin. o. O. u. I. kl. 8. – Desgl. zwei andere denselben Gegenstand behandelnde Schriften mit weitschweifigen Titeln und Dedicationen in kl. 8., die eine verfaßt von Mag. Stöckerus in Muskau.

Es ist von vielen hohen und niederen Personen, sowohl geistlichen als weltlichen Standes bekannt, daß sie gleich dem berühmten Dr. Faust zu Wittenberg einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, von denen viele nach abgelaufener Frist des leidigen Satans Beute geworden sind. Dieses erschreckliche Schicksal hätte auch im Jahre 1676 ein von Holland aus eingewanderter Bortenwirker gehabt, wenn er sich nicht noch zur rechten Zeit, zehn Tage vor abgelaufener Frist, dem hochwürdigen geistlichen Ministerium dieser Stadt offenbaret hätte und von den frommen Pastoren den Klauen des Bösen entrissen worden wäre. Dabei stellte es sich denn heraus, daß dieser erbarmungswürdige Mensch, Namens Tyllius Weiß aus Vließingen in Holland, allwo sein Vater ein Schiffsmann gewesen, gar kein getaufter Christ, sondern der manichäischen Ketzerei zugethan gewesen, zu der sich damals in den holländischen Städten an 13000 Familien bekannten.

Dieser Tyllius Weiß ist nach langen Wanderungen in England und Frankreich in der französischen Armee als Dragoner angeworben worden, und hat mit dem wilden Kriegsvolk ein wüstes Leben geführt. Als sie zu Renß (Rheims) in Champagnien im Quartier gelegen, haben sie eines Tages, wohl zwanzig an der Zahl, im trunkenen Muthe beschlossen, sich dem Teufel zu ergeben. Abends neun Uhr ist ihnen denn auch der Böse erschienen in Gestalt einer schönen französischen Dame. Sie sind entsetzlich erschrocken und die meisten davon gelaufen; aber neune, darunter auch unser Tyllius, sind standhaft geblieben. Der Teufel hat gefragt, ob es ihnen Ernst sei, hat versprochen, ihnen Glück im Spiel und bei den Frauenzimmern zu verschaffen und sie hieb- und stichfest zu machen. Dagegen sollten sie sich verpflichten, das gewonnene Geld nur in höllischen Lüsten zu verschleudern, beim Spiele immer Händel anzufangen und so viel Menschen als möglich zu ermorden. Diesen Pakt sind diese verlorenen Seelen eingegangen und haben ihn durch Handschlag besiegelt, wobei ihnen der Teufel einen scharfen Draht durch den Daumen gezogen, davon an dem Tyllius die Narbe zu sehen gewesen, und sie somit als sein Eigenthum gezeichnet hat. Hat auch gleich eine Feder bei der Hand gehabt, mit der ein jeder, nachdem er sie aus der empfangenen Wunde mit Blut getränkt, sich unterschrieben, und ist diese Feder ganz sonderbar und nicht wie eine andere gewesen, hat auch schier alleine geschrieben. Dagegen hat auch der Teufel einem jeden einen Brief eingehändigt, darin folgende drei Vorschriften enthalten gewesen: 1) sie sollten nur ihn als ihren Herrn erkennen, 2) Gott, die Engel und alle Christen verfluchen, 3) ihre Eltern und die Stunde ihrer Geburt verwünschen. Solchen Brief hat er eigenhändig (aber mit Tinte) unterschrieben: Diabolus Ku. Darauf sind sie um Mitternacht von der Herberge, wo solches sich ereignet, aufgebrochen und auf einen Kreuzweg gegangen. Dort haben alle neun einen Kreis geschlossen, ihre Teufelsbriefe zusammen in ein weißes Tuch gethan und schweigend auf den Weg gelegt. Alsobald ist die Dame wieder erschienen, aber mit einem großen Gefolge, darunter man viele Cavaliere gesehen, auch wilde Thiere haben mit erschrecklichem Gebrülle den Kreis umrannt und Tausende von bösen Geistern die Luft erfüllt.

Von diesem Tage an hat dann Tyllius wirklich wunderbares Glück im Spiel gehabt, da ihm der Teufel oft unsichtbarer Weise Spielkarten zu gesteckt hat. Oft ist er ihm erschienen und hat ihn zur Standhaftigkeit er mahnt, bald in Gestalt einer Dame, bald gekleidet wie ein Cavalier, oft auch in Katzengestalt. Das Geld hat er allemal versaufen und sonst verliedern müssen. Fünf Menschen hat Tyllius erstochen und viele blessirt, aus allem Scharmützel aber ist er ohne Wunden hervorgegangen; denn der Teufel hat ihm eine gelbe Salbe gegeben, mit der er sich eingerieben und hieb-, stich- und schußfest gemacht hat. Ja es ist ihm gelungen, Stückkugeln mit der Hand abzuwenden. Aber er hat auch den Teufel dreimal des Tages zu bestimmten Stunden anrufen müssen. Sonst hat er ihm flugs das Geld in der Tasche in Koth verwandelt.

Alles dieses bekannte Tyllius nicht auf einmal, sondern in verschiedenen mit ihm angestellten Verhören, unter erbärmlichem Schluchzen, unendlichen Thränen und großen körperlichen Anfechtungen des Satans. Sein Gesicht verzog sich oft zu schauderhaften Grimassen und die Brust wurde ihm aufgetrieben, daß es erschrecklich anzusehen war, und Diakonus Francisci beim ersten Male glaubte, es sei der Teufel selbst. Die Angst des Geplagten war sehr groß, denn der Pakt, der auf sieben Jahre und siebenzehn Tage lautete, war in zehn Tagen um; indessen wirkten die Gebete der Pastoren, die täglich abwechselnd stundenlang bei ihm zubrachten, in dem armen Sünder herzliche Reue und Buße; er ward in Stadt und Land ins Kirchengebet eingeschlossen, und auch in den Knaben- und Mädchenschulen für ihn gebetet. Se. freiherrliche Gnaden, Herr Kurt Reinicke von Callenberg, nahm sich des Verlorenen ebenfalls an, gab ihm frei Quartier im Oberstübchen der Pfarrwohnung und bestellte mehre achtbare Bürger, welche Tag und Nacht bei ihm wachen mußten. Tyllius zeigte sich bereitwillig, der manichäischen Ketzerei abzuschwören und den lutherischen Glauben anzunehmen. Zu der katholischen Kirche hatte er ohnedies kein Zutrauen, da er bei der Belagerung von Mastricht selbst Zeuge gewesen war, wie der Teufel acht Soldaten auf einmal geholt, obgleich ein katholischer Pfaffe sich alle Mühe gegeben, ihn mit Lichtern, Weihwasser und Paternostern zu vertreiben. Als Jäger verkleidet sei er ins Lager gekommen und habe alle acht in einem großen Sturmwinde mit sich fortgerissen. Nur ihre ausgerissenen rechten Hände seien im Lager geblieben.

Da die Pastoren von Muskau des Tyllius Vorliebe für den lutherischen Glauben sahen, so unterstützten sie dieselbe, gaben ihm Luther's Katechismus und ließen ihn die Glaubensartikel auswendig lernen, was wunderbar schnell von Statten ging. Nur ließ ihm der Teufel keine Ruhe, plagte ihn mit Körperschmerzen, erschien ihm mehrmals in Katzengestalt, sogar in Gegenwart des Magister Stöckerus, der ihn aber mit dem Liede: „Gott der Vater wohn' uns bei“ sogleich vertrieb, verführte den Patienten zu wiederholten Fluchtversuchen, indem er ihm einredete, die Pastoren würden ihn wegen seiner Verbrechen der weltlichen Obrigkeit übergeben und dem Scheiterhaufen opfern, versprach ihm einen neuen Pakt auf vierzehn Jahre und ängstigte ihn mit schrecklichen Drohungen, wenn er sich würde taufen lassen.

Denn das war allerdings die fromme Absicht der geistlichen Herren, und der Freiherr von Callenberg unterstützte dieselbe und schenkte ihm einen ganz neuen Anzug. Der alte wurde den Flammen übergeben und hat lange nicht brennen wollen. Tyllius wurde ermahnt, alles Teuflische von sich abzuthun. Er bekannte, früher ein kleines Händlein (Alraunwurzel) besessen zu haben, das einen Saft wie Milch von sich gegeben, wenn er mit einer Nadel dareingestochen, aber er habe es vor Nymwegen einem Kameraden für eine Pfeife Tabak verkauft (denn umsonst durfte er es nicht weggeben).

Er bat ihn heimlich zu taufen und nicht öffentlich, aber es wurde ihm nicht zu gelassen, und die ganze Gemeinde war Zeuge, wie man ihn zum Taufsteine führte. Herr Kurt Reinicke Freiherr von Callenberg nebst sechs andern weltlichen und geistlichen Herren waren seine Taufzeugen, zusammen sieben, wegen der sieben Jahre des Teufelspaktes, und Se. freiherrliche Gnaden lagen die ganze Zeit über nebst dero Gemahlin auf ihren Knien. Zwei Pastoren vom Lande nahmen den Täufling zwischen sich, und das war nöthig, denn Satanas plagte den Aermsten erst auf dem Wege, dann in der Sakristei und den ganzen Aktus über mit entsetzlichen Gesichtern, Gliederverrenkungen und Gesichtsverzerrungen, „daß der ganzen Gemeinde die Haare zu Berge stiegen“ vor Schauder und Furcht. Nach vollbrachter Ceremonie, bei der man ihm statt des Westerhemdes ein weißes Tuch überhing, ist der Teufel zwar etwas vom ihm gewichen, aber in der Nacht darauf ihm wieder erschienen als ein kleines Kind, „zweifelsohne um der Wiedergeburt zu spotten oder, da es im Advent gewesen, das heilige Weihnachtsfest zu verhöhnen.“ Den vierten Dezember darauf wurde Andreas, diesen Namen hatte er in der heiligen Taufe erhalten, zur Communion geführt, und diese Ceremonie verlief ohne alle Störung. Andreas Weiß fühlte sich von Stund an freier, glücklicher und gesunder; ja sein ganzes Aussehen war so verändert, daß man ihn kaum wieder erkennen konnte.

Den Tag darauf war der Termin des Teufels, an dem der Pakt ab lief. Abends wiederholten sich noch einmal die Visionen und Qualen, aber die Nacht verfloß ruhig. Doch haben die Bewohner von Muskau ein starkes Windesbrausen um das Haus herum gehört und es deutlich gesehen, wie zwei Männer mit bloßem Degen auf dem Kirchhofe fochten.

Am zweiten Advent hat man in allen Kirchen in Stadt und Land Dankgebete abgehalten. Andreas Weiß hat sich noch einige Tage in Muskau verweilt, und ist endlich am neunten Dezember abgereist. Die gnädige Herrschaft hat ihm ein Zehrgeld aufgenöthigt und ihm einen Paß und andere Empfehlungen mit auf den Weg gegeben. Er ist über Kamenz nach Dresden gereist, um dort oder in einer andern großen Stadt sein erlerntes Handwerk, die Bortenwirkerei, weiter zu treiben.

Anmerkungen:

Meister Tyllius war ohne Zweifel ein schlauer Betrüger. Mit seinem Lieutenant nach Schlesien dersertirt und von ihm in Wartenberg entlassen, ist er vagabondirend nach Muskau gekommen. Dort ist ihm wahrscheinlich das Geld ausgegangen. Er hat aber gehört, daß einige Zeit vorher ein bekehrter Teufelspartner, Namens Peter Otto, in Muskau gute Aufnahme gefunden, da er Empfehlungen und Bücher bei sich gehabt, die Magister Scriver us zu Magdeburg über seine Bekehrung geschrieben. Dieser Peter Otto hat dieselbe Teufelsnarbe am rechten Daumen gehabt. Tyllius hat dem Peter Otto, und Diakonus Francisci nur zu bereitwillig dem Magister Scriverus nachgeahmt, schwerlich ohne die Nebenabsicht, sich und seinem Städtlein durch die Bekehrung dieses Manichäers einen Namen zu machen. Den Manichäismus hat man aus ihm herausexaminirt. Mehrmals zwar hat man Verdacht geschöpft, aber immer wieder haben die wirklichen oder erheuchelten Krämpfe und die vorgeblichen Visionen (die übrigens eine sehr arme Phantasie verrathen) die geistlichen Herren getäuscht, die nur zu begierig waren, überall Teufelsklauen zu sehen, und z. B. die Fluchtversuche für Teufelsanfechtungen auszugeben. Man bemerke, wie Tyllius sich vor der Taufe sträubt, wie er wunderbar schnell den Katechismus lernt, wie er dem Haß gegen die katholische Kirche zu schmeicheln weiß. Dazu kommt noch eine oben ausgelassene Episode. Wie Tyllius die neuen Kleider anzieht, fällt ihm ein Papier aus der Tasche, das er hastig aufrafft und versteckt. Man inquirirt ihn, will's ihm nehmen; da stellt er sich ganz rasend und tobt entsetzlich. Man muß ihm das Papier lassen, denn drüben wartet schon die Gemeinde auf die Taufe. Hernach bekennt er, es sei der Brief des Diabolus Ku gewesen und er habe ihn den Abend nach der Taufe in den Ofen geworfen. Die Wächter haben nichts gesehen und können es nicht bestätigen.

Dies Papier wird wohl weder von Ku noch einem andern Teufel hergerührt haben, sondern von irgend einer Behörde. Es ist ein Zeugniß, ein Attest gewesen, das den Betrüger auf der Stelle entlarvt hätte, aus dem sich vielleicht ergeben hätte, welchen Frevel Tyllius mit der heiligen Taufe trieb, da er doch wahrscheinlich schon christlich getauft war.

Diabolus Ku ist vielleicht eine mißverstandene Erinnerung an den Teufelsbeinamen Cul. Der Hintere ist des Teufels Wappen. Dort müssen ihn die Hexen am Hexensabbath küßen. Den Waldensern und den Tempelherren machte man dasselbe zum Vorwurf. Tyllius fügt hinzu, sonst hieße dieser Teufel auch insgemein „der gerechte Teufel“ - wieder ein Zusammenhang mit der Anklage gegen jene Sekten, daß sie den Teufel, als den von Gott ungerecht behandelten, verehrten und ihn als den Gerechten priesen, Gott als den Ungerechten verfluchten.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862