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Bern-Dietrich

  Frenzel, lex. slav. I. 575. msc. L. Mon. Schr. 1797. II. 749. N. L. Mag. 1839 S. 227. Gräve S. 54.

Wenn ein Mensch sich bei Nacht im Walde verirrt hat, hört er oft in der Luft ein wildes Schreien und Toben; es zieht daher wie ein Sturm mit wüthendem Gesause; Hunde kläffen, Rosse schnauben, die Wipfel der Bäume krachen und splittern und dazwischen tönt Jagdgeschrei: Hoho! und Hörnerklang: Tutu! Das ist Bern - Dietrich, der Nachtjäger mit dem wüthenden Heere, das schon viele angesehen haben und das schrecklich zu beschreiben Männer mit verdrehtem Kopfe, auch ohne Kopf und Schopf reiten auf Pferden mit Hirschköpfen, andere tragen das Haupt unterm Arme; einer rollt auf dem Rade daher und gräßliche Hundegestalten, Rehe, wilde Eber und anderes Jagdgefolge hinterher und nebenher und so fort bis Alles verschwunden ist.

Sein Hauptquartier hat Bern-Dietrich im Dietrichsberge bei Dittersbach bei den Querxen. (Er kehrt aber auch im Venusberge bei Ostritz zuweilen ein bei Frau Venus und ihrem Hofgesinde, den Vensmännlein. Am Eckardtsberge bei Zittau sitzt der getreue Eckardt, ein guter, alter Mann, der die Menschen warnt, sich nicht in den Venusberg verführen zu lassen.)

Anmerkungen:

Die Lausitz hat eine Fülle von Sagen, die dem Sagenkreise des wilden Jägers angehören. Der wilde Jäger selbst hat verschiedene Namen: Bern-Dietrich, Pan Dietrich, Ulrich Ruprecht, toller Junker, Heidut, Blauhütel, Schümbrich, eiserner Polenz, Nachtjäger.

Der Name Bern-Dietrich ist hauptsächlich deshalb merkwürdig, weil er an die altdeutsche Sage von Dietrich von Bern erinnerte. Dietrich von Bern (Theodorich), der gothische Recke des Heldenbuches, war bekanntlich lange bei den Hunnen, diese aber hausten öfters im Merkwidi-Walde, zu dem auch die Lausitzer Berge gerechnet werden, so daß man dem Bern-Dietrich eine ursprüngliche Heimathsberechtigung in unserm Bergen vindiciren könnte.

Daß die Gestalt des wilden Jägers überhaupt nichts Anderes als die oft historisrte Windpersonifikation eines Gottes, bei uns des Wodan ist, will ich hier nur notiren. G. Köhler (Laus. Mag. 1839, S. 227–239), hat den Zusammenhang mit der alten Göttersage sowohl wie mit Dietrich von Bern ausführlich nachgewiesen.

Die Zusammenstellung vom Eckartsberge und Venusberge hat ihn augenscheinlich veranlaßt, den getreuen Eckart und Frau Venus in die Sage zu bringen, doch scheint dies nur eine geistreiche Kombination zu sein, weshalb ich die Bürgschaft für diesen Zusatz nicht übernehmen kann.

Das Neue und Interessante bei Köhlers Forschung ist die historische Begründung des Namens durch Nachweis eines Bernhard Dietrich von Biberstein, so daß sich gewissermaßen der Dietrich von Bern des Heldenbuchs und der in der Kirche zu Schönau abgebildete Bernhard Dietrich von Biberstein (Blauhüte!) um die Urheberschaft der Sage streiten. Ein sehr merkwürdiges Zusammentreffen.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862