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Die Goldquelle zu Budissin

  Gräve S. 86. sq.

Am Vorabend des Pfingstfestes im Jahre 1702 hat ein Bürger zu Budissin, nachdem in seiner Wohnung Alles zum Feste des andern Tages vorgerichtet worden war, seine Werkstätte geschlossen und hat sich vorgenommen seinen Geburtstag zu feiern, weshalb er auf ein nahegelegenes Dorf sich begab und daselbst mit einer lustigen Gesellschaft den Tag herrlich und in Freuden verlebte.

Nachts um 10 Uhr brach das frohe Häuflein auf und trennte sich in der Stadt, wo sich dann Jeder in seine Wohnung begab, allein plötzlich fand sich das obgedachte Geburtstagskind in den Ruinen der St. Nicolaikirche, in deren Innern sich ein Friedhof befindet, wieder: er sank an der Stelle, wo ehemals der Altar gestanden hatte, durch Wein und Gehen ermüdet, mitten unter den Todten in tiefen Schlummer.

Nachdem er – wie lange er geschlafen, wußte er bei seinem Erwachen nicht – aufgewacht war, war es zwar dunkel, allein mit hellem Glanze umleuchtete ihn ein Licht, und in den bemoosten Trümmern erblickten seine vom Schlafe gestärkten Augen ein durch mannichfaltige bunte Lampen geschmackvoll erleuchtetes Altargemälde, gefertigt von Meisterhand, welches die Himmelfahrt Christi vorstellte. Am Fuße desselben quollen Gold- und Silbermünzen aus der Erde.

Verdutzt sah er sich schüchtern um, Niemanden vermochte er zu erschauen, stille und öde war Alles, wie in des Todes Hallen. Lange ging er hin und her, bald das Gemälde, bald das aus der Erde Schooß hervorquellende Gold betrachtend. Zufällig stieß er bei’m Herumwandeln an einen Krug, dies hielt er für einen ihm von einem guten Genius gegebenen Wink, faßte sich ein Herz und füllte das Gefäß mit den Münzsorten und gebrauchte, wo es nicht langte, noch seine Halskrause und Taschentuch, so wie seine Taschen dazu.

Da verkündete die Glocke vom Rathhausthurme Ein Uhr, die Hähne kräheten in den benachbarten Gehöften und der Glückliche eilte mit seiner Beute nüchterneren Sinnes, als er den Ort betreten hatte, froh und zufrieden nach Hause. Die Goldstücke waren größtentheils aus dem Zeitalter der Könige Maximilian und Mathias und einiger ihrer Nachfolger, ob er aber einen guten Gebrauch von seinem Funde machte, davon schweigt die Geschichte.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 158