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Sage von der breternen Saloppe bei Dresden

  Manuskript eines Loschwitzer Winzers;
  Adolph von Schaden „Bockssprung von Dresden nach Prag, Schneeberg 1820, S. 70–91“
  s. Dresd. Anz. 1874, 24. Jan. S. 14) 

Zur Zeit Heinrich des Erlauchten (1221–88) lebte im Meißnischen der Ritter Fust von Scharffenberg, ein reicher und verschwenderischer Herr, der nicht nur sein ererbtes Besitzthum, sondern auch das Vermögen seiner Gemahlin Agathe von Birkrose (?) in kurzer Zeit durchbrachte, dann auf Reisen ging, auf den Schlössern anderer Ritter sein üppiges Leben fortzusetzen. Als sich dies nicht mehr thun ließ, kehrte er nach Hause zurück, und schon im Begriff stehend, als Raubritter seiner erschöpften Casse wieder Zuschuß zu verschaffen, berief ihn ein Befehl des Markgrafen Heinrich 1278 als Beisitzer des abzuhaltenden Landesgerichts nach Dresden. Während des Aufenthaltes in hiesiger Stadt wuchsen die Schulden des Scharffenbergers gewaltig und er gerieth nach Beendigung des Gerichts in die peinlichste Lage. Einer seiner Gesinnungsgenossen, an den er sich in seiner Noth gewandt hatte, gab ihm, da sein Weib Agathe schon im dritten Jahre der Ehe, in Folge fortgesetzter Quälereien gestorben war, den Rath: „Wirb um eine reiche Dirne und bezahle mit dem Brautschatze Deine Schulden“, worauf der Scharffenberger erwiderte: „Ueberall schon habe ich angepocht, aber nirgends wurde aufgethan“. Darauf gab ihm sein Freund zur Antwort:

„Nun so freie um die Schmutzurschel, die ist reich und auf einen Ritter erpicht!“ – Dieses Mädchen war die Tochter des 1234 aus Baiern in Dresden eingewanderten Brauers Kalberla, der sich durch ausgezeichnetes Bier, welches er gebraut, zum reichen Manne gemacht hatte. Ursula, seine einzige Tochter, zeigte nicht blos einen häßlichen Körper, sondern auch Eigenschaften, welche jeden bessern Menschen von ihr trieben. Ganz besonders war es ihre Unreinlichkeit, die Anderen zum Ziele des Spottes diente und der reichen Brauerstochter den hier allgemein bekannten Namen „Schmutzurschel“ eintrug.

Trotz dieser schlimmen Eigenschaften machte Ursula sehr hohe Ansprüche, sie wollte nur einen Ritter heirathen. Ihr Wunsch sollte in Erfüllung gehen, denn war auch Fust von Scharffenberg zuerst vor ihrer Häßlichkeit erschrocken, so sagte er sich doch, daß Geld ihm dringend nöthig sei und man schließlich auch die größte Schönheit gewohnt werde; er warb also um die Brauerstochter und diese heirathete den Ritter. Bei Hofe und in den höheren Adelskreisen durfte allerdings die neubackene Rittersfrau nicht erscheinen, nur der niedere Adel gestattete ihr in seinen Zirkeln Zutritt, vermochte sie aber in keiner Weise zu bessern, so daß man sie, da schon damals die Unsitte herrschte, Alles französisch (?) zu benennen, Madame Saloppe nannte, unter welchem Namen sie auch in ganz Dresden bekannt blieb.

Bei ihrer Verheirathung hatte sie sich klugerweise zwei Dritttheile ihres großen Vermögens gesichert, von welchen sie auch nichts herausgab, als des Gatten Drittel vergeudet war. Dieser Umstand veranlaßte Fust, ungeachtet der Einsprüche Ursula's, eine Scheidung von Tisch und Bett durchzusetzen. Die gekränkte Frau fand nirgends Hilfe und zerfiel ganz mit der Welt, nur noch dem Gedanken lebend, den durch ihren treulosen Gatten vergeudeten Theil ihres Vermögen mit Hilfe eines Alchimisten wieder zu erlangen. Sie nahm bei einem solchen Unterricht, kaufte sich auf dem rechten Elbufer einen Weinberg (?), auf dessen Höhe sie von alten Bretern eine Hütte errichtete, da das bereits vorhandene Häuschen für ihre Zwecke zu kostbar schien. Tag und Nacht kochte Madame Saloppe, bis man sie eines Tags, nachdem sie den größten Theil ihres Vermögens zwecklos verwendet hatte, in ihrem Laboratorium vom Rauch erstickt auffand. Da Ursula’s Gatte, Fust v. Scharffenberg, bereits einige Jahre vor diesem Ereignisse in tiefem Elende gestorben war, fiel der Weinberg an die bairischen Verwandten der Goldmacherin und wenn auch seit jener Zeit die Besitzer oft wechselten, so ist doch ihm und insbesondere dem darauf stehenden Hause, nach jener Madame Saloppe, der Name „die breterne Saloppe“ bis auf die neueste Zeit geblieben.

Anmerkungen Grässe:

Allerdings kannte ich die Sage, ich habe sie aber absichtlich weggelassen, weil ich annahm, sie sei von Schaden nur deshalb erfunden, um der in derselben vorkommenden Familie Kalberla aus irgend einem persönlichen, jetzt nicht mehr zu ermittelnden Grunde etwas anzuhängen. Sie trägt nämlich den Beweis ihrer Unwahrscheinlichkeit und ihres modernen Ursprungs an der Stirne. Da nämlich die französischen Worte salop (Schmutzfink) und salope (Schlumpe) neuere französische, erst zu Ende des 17. Jahrhunderts entstandene Schimpfworte sind (erst aus dem englischen slop, nicht aus dem französischen sale gebildet), so konnte selbstverständlich im 13. Jahrhundert weder in Frankreich noch viel weniger in Deutschland ein Ort oder Gegenstand so benannt werden. Außerdem hat der Name selbst wohl erst im ersten Viertel dieses Jahrhunderts seine Entstehung zu suchen, denn weder Daßdorf noch Hasche in ihren topographischen Beschreibungen Dresdens führen diesen Vergnügungsort an, erst Schiffner im Supplement zu Schumanns Lex. v. Sachsen Bd. IV (XVII), Art. Loschwitz S. 919 nennt ihn und sagt, der Ort habe eigentlich Schaluppe, d. h. Bretterhütte geheißen, weil er früher nur aus einem bretternen Schuppen bestand, und daraus hätte der Volksmund „Saluppe“ und dann „Saloppe“ verdreht, womit nun wohl allerdings allem Zweifel ein Ende gemacht ist. Aufgehört Vergnügungsort zu seyn hat die Saloppe erst im Jahre 1872. Vielleicht kommt der Name aus dem böhmischen chalupa, Bauerhütte.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 547