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Der Traum des Georg von Schleinitz

  Misander, Deliciae Biblicae IV. P. II. p. 658.

Ein Edelmann, Georg von Schleinitz, aus dem gleichnamigen, in Meißen hochgeehrten Geschlechte, welcher zu Marburg und Wittenberg etliche Jahre studirt, hatte sich mit einer schönen Jungfrau aus dem Hause Wieckenthal versprochen, und es sollte nach Ostern die Hochzeit angestellt werden.

Es trug sich aber zu, daß die Fastnacht zuvor viel Volk von Adel auf gedachtes Haus zusammen kamen, und als sie lustig waren, gingen etliche Edelleute hin, vermummten sich, zogen viel zottige Bärenhäute an, behingen sich mit Werg und Pech und kamen also mit Fackeln tanzend unter das Frauenzimmer. Unter dem Tanzen aber nimmt einer von Adel, so zugegen war, ein Licht von einem Leuchter, wirft solches unter die Tanzenden, und hiervon entzünden sie sich unter einander so jählings, daß die meisten tödtlich verbrannt wurden, die Braut aber, die mit ihren langen Kleidern über den Bräutigam gefallen, hat sich an ihrem Leibe so heftig verbrannt, daß sie nach wenigen Stunden nebst ihrem Liebhaber nach erlittenen vielen und unaussprechlichen Schmerzen jämmerlich gestorben.

Außer den vorigen sind aber noch fünf andere vornehme adelige Personen, so das Feuer zu dämpfen getrachtet und sich dabei höchlich verletzt, nach kurzer Zeit des Todes verblichen, der Bräutigam aber und die Braut sind in der Kirche zu Wieckenthal in ein Grab gelegt worden.

Hierbei ist aber zu bedenken, daß der Bräutigam fünf Jahre zuvor dieses Unglück zu Marburg geträumt. Es däuchte ihm nämlich, daß er zu einem wilden Bären geworden und in einem großen Walde wäre, welcher angezündet und in Grund verbrannt würde, daraus er nicht entfliehen könne; und obschon Jungfrauen mit Wasser gelaufen kämen, solch Feuer zu dämpfen, so wäre es doch nicht zu löschen gewesen, sondern er sei im Walde verbrannt. Ueber diesen Traum haben damals viele gelehrte Leute ihr Bedenken gehabt, doch keiner hat seine Bedeutung ergründen können, bis der traurige Ausgang die Erklärung selbst gegeben.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 59