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Von einem nächtlich geschehenen kurzweiligen Pistolen-, Degen- und Pantoffeltanze

  S. Sickel, Nachrichten von Poltergeistern Th. III. S. 18. etc.

Im Harze befindet sich ein Schloß, in dieses kam um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein vornehmer Herr, Verwandter der dasselbe besitzenden hochgräflichen Familie, und wurde in ein Gemach gebracht, worin er bis dahin noch nicht logirt hatte. Da er sich nun des Nachts zur Ruhe begab, konnte er zu keinem Schlafe kommen und hatte der Kammerdiener, welcher in eben dem Zimmer nicht weit von seinem Herrn schlief, gewöhnlicher Maßen ein brennendes Licht auf den Tisch gesetzt, welches das ganze Zimmer erleuchtete. Es erhob sich demnach in der Mitternachtszeit in solchem unverhofft ein Gerassel, daß man nicht wußte, woher es kam. Der fremde Herr fing in seinem Bette zu husten an, um dadurch ein Zeichen zu geben, daß ihn der Kammerdiener hören sollte, daß er noch nicht eingeschlafen sei, sondern wache. Der Kammerdiener hustete wieder, um seine Herrschaft zu überzeugen, daß er wache und aufmerksam sei. Worauf dieses erhobene Gerassel wieder ein wenig nachließ. Weil nun der fremde Herr vorhin bei seiner Ankunft auf das ohnweit dem Bette befindliche Canapee die bei sich geführten Pistolen und Degen legen lassen, so sahe er sich nach seinem eigenen Gewehr in dem Zimmer um und wurde gewahr, daß sowohl der Degen als die Pistolen im Canapee herumtanzten, sich auch ein Säbel von freien Stücken ohne menschliche Anrührung aufhob und ordentlich tanzte. Ueber welche Begebenheit sich der Herr bei sich selbst nicht genugsam wundern konnte. Ja es regten sich auch nachgehends seine vor dem Bette gestandenen Pantoffeln, welche von ihrem Orte, wo sie standen, hinwegkamen und in dem Schlafzimmer herumtanzten. Welche seltsame Aventure länger als eine Stunde dauerte und von dem Herren im Bette mit Vergnügen ohne Alteration und Veränderung des Gemüthes angesehen wurde, namentlich da er dabei keinen Director sah. Und diese unverhoffte Kurzweile sah nicht allein der Herr, sondern auch der Kammerdiener mit unverwendeten Augen an. Als nun der Herr des Morgens erwachte, erzählte er Alles, was sich die verwichene Nacht in seinem Zimmer zugetragen, seinem bei sich gehabten Kammerdiener, und dieser hinwiederum, was er gesehen, seinem Herrn, und es traf Alles, was sie einander erzählt, genau überein, ohne daß sie in der Nacht mit einander ein Wort davon gesprochen hatten.

Ohngeachtet aber sich diese fremde Herrschaft bei ihrer Ankunft einige Tage allda zu verbleiben vorgenommen hatte, so reiste sie doch selbigen Tag wieder fort, um die darauf folgende Nacht von einer so seltsamen Visite nicht wieder incommodirt zu werden. Es verfügte sich demnach hierauf dieser Herr an einen gewissen Ort, allwo von ihm Anverwandte wohnten, und erzählte ihnen bei Gelegenheit diese seinen und des Kammerdieners Augen präsentirte Spuk-Aventure, welche zwar nach ihrer kurzweiligen Relation genug belacht, aber nicht geglaubt wurde. Indessen kamen diese Verwandten auf die Idee, solche unglaubliche Begebenheit in der That und Wahrheit zu erfahren, und beschlossen, in wenig Tagen allda eine Visite unvermerkt abzustatten, mithin mit ihrem Kammerdiener in eben dem Gemach ihr Quartier und Nachtlager zu nehmen.

Sie reisten also auf einen dazu bestimmten Tag dahin, sagten aber von dem Beweggrunde der angestellten Reise dasigen Ortes nichts, sondern baten sich aus, daß sie sich in demjenigen Zimmer, allwo ihr Verwandter vor einigen Tagen seine Bequemlichkeit gefunden, ebenfalls aufhalten dürften, welcher Aufenthalt ihnen denn auch mit allem freundschaftlichen Vergnügen gestattet wurde. Nun mußte der Kammerdiener den Degen und die Pistolen, welche sie bei sich geführt, nebst anderer Equipage gleichermaßen auf das allda befindliche Canapee legen und bei endlich herangenahter Nacht und Schlafengehen das Licht auf dem Tische brennen lassen. Der Herr und sein Kammerdiener legten sich nieder und blieben die Pantoffeln des Herrn vor dem Bette stehen.

Nach Mitternacht entstand im Gemach ein Gerassel und der Herr und dessen Kammerdiener wachten beide, jener gab auch dem Letztern durch ein Gehuste die Losung seiner anhaltenden Wachsamkeit und dieser hinwiederum eine Antwort durch den Husten. Endlich sah sich der Herr nach dem Canapee, allwo ein Geräusch entstand, um und wurde gewahr, daß seine darauf gelegten Pistolen für das Erste und alsbald darauf der Degen oder Säbel, zuletzt aber auch seine vor dem Bette stehenden ausgezogenen Pantoffeln herumtanzten, nicht anders, als wenn sie Jemand dirigirte. Dem Herrn wurde darüber Zeit und Weile lang, und er dachte nach, wie er sich aus diesem Spukzimmer mit dem Kammerdiener retiriren möchte, allein die ihm darüber zugestoßene Furcht hielt ihn von seinem Vorsatz zurück und er blieb also liegen, bis er früh Morgens aufstand und von dem allen mit seinem Schlafgesellen gesprochen hatte. Er beschloß also, von der ihm begegneten nächtlichen Gaukelei Niemandem auf dem Schlosse etwas zu sagen, weil sie ihn vermuthlich damit aufgezogen haben würden, sagte aber zu seinem mehrgedachten Kammerdiener mit allem Ernst: »Ich will nun nicht wieder verwegen noch ungläubig sein, ich weiß, was ich die vorige Nacht für Furcht und Angst ausgestanden habe.« Wie er nun wieder zu den Seinigen kam, bestätigte er die ihm zugestoßene Begebenheit und verlangte, bei solchen schreckhaften Tänzen keinen Zuschauer weiter abzugeben.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 497-499