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Vom Bau des St. Johannisklosters zu Hamburg

Um das Jahr 1220 lebte in Hamburg ein guter Bürger mit Namen Hans Reder, der besaß ein Haus mit großem Garten in dem höheren Teil der Stadt, unweit der Alster und der Stadtmühlen an derselben. Der hatte zu seiner nicht geringen Verwunderung wahrgenommen, dass vom Himmel eine ganz seltsame Erde auf seinen Gartenplatz gefallen war. Die war tiefschwarz und von schneeweißen Streifen durchzogen, hie und da aber glänzten dazwischen güldene Punkte und Striche, fast wie Buchstaben und Zeichen einer fremden heiligen Sprache. Hans Reder hatte mehr als einmal dieses Wunder gesehen und es nicht auszulegen verstanden, obwohl er sich bewusst war, dass etwas Absonderliches damit angedeutet sei.

Als sieben Jahre danach der Graf Adolf IV. infolge seiner Gelübde bei Bornhövede den Bau zweier Klöster in Hamburg beginnen und deshalb für jedes einen schicklichen Platz aussuchen wollte, da trieb es den edlen Herrn unwillkürlich zu Hans Reders Garten. Als er ihn in Augenschein genommen hatte, bestimmte er ihn sofort zum Platz für eines der Klöster. Haus Reder, der eigentlich gar nicht gewillt war, sein Grundstück zu veräußern, fühlte sich getrieben – er wusste selbst nicht, warum – sogleich in den Kaufhandel des Grafen einzuwilligen. So wurde auf dieser Stelle das St. Johanniskloster erbaut. Als es fertig war, mit Kirche, Kreuzgängen, Reventer und Zellen, stand es einige Jahre leer, denn es waren keine Mönche da, die es bewohnen konnten. Graf Adolf gab sich wohl Mühe, fromme Mönche für sein Kloster zu gewinnen, konnte aber keine auftreiben.

Da ereignete es sich, dass drei fremde Predigermönche vom Orden der Dominikaner nach Hamburg kamen, nämlich Bernhard Hiddinga, ein Friese, Otto von Meding aus dem Bremischen und der Pater Jordanus. Die zogen noch etliche ihrer Brüder nach sich und hielten darum an, das leere Kloster bewohnen zu dürfen.

Obwohl nun weder der Graf noch der Rat etwas dagegen hatte, sah das Domkapitel die Sache doch ungern, weil es fürchtete, dadurch in seinen Einkünften geschmälert zu werden. Pater Bernhard aber entgegnete, dass die Brüder gekommen wären, um das Seelenheil der Menschen zu fördern, nicht aber irdischen Gewinn zu suchen. So gelang es ihm, auch die Einwilligung des Kapitels zu erhalten.

Als dann zum ersten Mal die Dominikaner in ihrer schwarzen Ordenstracht mit weißen kreuzförmigen Streifen darüber in der Klosterkirche sangen, beteten und das goldene Wort des Evangeliums predigten, da sind dem guten Hans Reder die Schuppen von den Augen gefallen. Er hat erkannt, was die auf seinen vormaligen Garten vom Himmel herabgeregnete schwarze Erde mit weißen Streifen und goldenen Zeichen weissagend zu bedeuten gehabt habe!

Quelle: Oskar Ebermann, Die schönsten Sagen von der Elbe und den anliegenden Landschaften und Städten, Verlag Hegel & Schade, Leipzig