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Der gute Rotmann

Einst hatte ein Sohn des Tangermünder Stadthauptmanns Helmreich durch den Rotmann seine Geliebte und mit ihr einen großen Schatz bekommen. Er liebte nämlich ein armes Mädchen und sollte von seinem Vater gezwungen werden, die Tochter einer reichen Witwe, welcher dieser viel Geld schuldig war, zu heiraten. Nun war keine Aussicht vorhanden, dass sich die Liebenden je bekommen würden. Da saß eines Abends das Mädchen seiner Liebe, deren Mutter das Haus, in dem der rote Mann sich zeigte, einst gehörte, kummererfüllt in der Laube des dazugehörigen Gartens bis tief in die Nacht hinein. Plötzlich erblickte sie im Licht des Vollmondes auf dem Kreuzsteig ein kleines rotes Männchen. Sie wollte angsterfüllt ins Haus flüchten, da trat das Männchen zu ihr, sprach ihr Mut zu und hieß sie die andere Nacht wiederkommen, er wolle ihr helfen. Dies tat sie auch, und das Männchen war wieder da, setzte sich zu ihr in die Laube und erzählte ihr, er sei der abgeschiedene Geist eines wendischen Prinzen, der einer christlichen Jungfrau wegen das Christentum angenommen und seine frühere Braut, ein schönes Wendenmädchen, wegen jener verlassen habe. Die Wendin sei gerade dazugekommen, wie er der Christenjungfrau in der Nähe des Elbufers seine Liebe gestanden habe. Aus Verzweiflung sei sie ins Wasser gesprungen und von ihm hier begraben worden. Von ihrem Vater sei er verflucht worden, ruhelos auf der Erde umherzuirren, bis er durch ein treues Liebespaar, dass sich durch keine Hindernisse voneinander trennen lasse, von dieser Pein erlöst werde. Er habe zwar ein Kloster erbaut und diesem all sein Gut und Geld geschenkt, auch sei er selbst als Mönch dort gestorben, allein seine Seele irre bis auf diese Stunde noch unerlöst hier umher. Er hieß nun das Mädchen den anderen Abend wieder zurückkehren und einen Spaten mitbringen. Die Jungfrau ließ auch nicht lange auf sich warten, das Männchen führte sie an den Kreuzsteig und befahl ihr, mutig in die Erde zu graben und sich durch nichts irremachen zu lassen. Das mutige Mädchen tat es auch, und obwohl ein furchtbares Unwetter heraufzog und ein Blitzstrahl eine dicht an diesem Steig stehende Eiche in Brand setzte, fuhr sie doch fort zu graben und fand auch bald einen eisernen Kasten voll von Gold und Geschmeide. Sie bedeckte ihn wieder mit Erde und eilte ins Haus zurück. Am anderen Morgen aber ging sie abermals heraus, hob den Schatz und händigte ihn ihrem Geliebten ein, der damit die Schulden seines Vaters bei der Witwe deckte und nun dafür von ihm die Erlaubnis erhielt, seiner Geliebten sein Wort zu halten und sie zu ehelichen. Am Abend ihrer Hochzeit eilten beide um Mitternacht in den Garten, um dem guten Rotmann für seine Hilfe zu danken, allein sie mochten ihn noch so sehr rufen, er erschien nicht und niemand hat ihn dann lange Zeit wieder erblickt. Zur Erinnerung an ihn ließ aber das dankbare Ehepaar ihn so, wie die Jungfrau ihn erblickt hatte, malen und das Bild im Haus aufhängen.

Quelle: Oskar Ebermann, Die schönsten Sagen von der Elbe und den anliegenden Landschaften und Städten, Verlag Hegel & Schade, Leipzig