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Das Gespenst auf dem Tyn zu Magdeburg

Im Jahre 1371 ließ sich in der Neustadt zu Magdeburg auf dem Tyn in Hans Schortaus Haus ein Gespenst hören, aber nicht sehen, trieb viel Unfug und gab vor, es wäre Hans Schortaus Seele, der vor drei Jahren in der Ohre ertrunken war. Es begehrte von benannten Priestern eine gewisse Anzahl Messen und Vigilien, sagte auch, was für Gebete und Almosen ihm bereits dargebracht wären, aber in Unserer Lieben Frauen Laternennacht (Lichtmessnacht) verlor es sich.

Nach einer anderen Sage soll jener Fischer Hans Schortau seiner Frau erschienen sein und ihr mitgeteilt haben, es liege eine große Summe Geldes unter dem Kak auf dem Markt vergraben, ein Schatz, der einst dem Erzbischof Burkhard III. gehört habe, von diesem aber dorthin gebannt worden sei, sodass ihn nur der Teufel in Gestalt eines Schweines heben könnte. Die Stelle des Schatzes werde an gewissen Tagen um die Mitternachtsstunde durch eine Flamme angedeutet, die aber jedes Mal verlösche, wenn sich jemand näherte. Die Witwe Schortaus hatte nun aber wieder geheiratet und ihrem zweiten Mann die Sache mitgeteilt. Dieser hatte nicht eher geruht, bis seine Frau einwilligte, ihm beim Heben des Schatzes beizustehen. Mittlerweile hatten aber die Scharwächter, wenn sie aus der Schwertfegerstraße kamen und hinter dem alten Fleischscharren herumgingen, um sich auf dem alten Markt mit ihren Kameraden zu vereinigen, das dumpfe Grunzen eines Schweines gehört, ohne jedoch ein solches zu sehen. Die beiden Schatzgräber begaben sich also eines Nachts an die Arbeit, sahen auch wirklich ein Licht flackern und erkannten daran die Stelle, wo gegraben werden musste. Kaum aber hatte der Mann zu graben angefangen, als er neben sich beim Schein der Flamme ein großes Schwein erblickte, welches mit der Schnauze ein Loch wühlte und Erde und Gestein in großer Menge auswarf, sodass er die Augen von dem Ungetüm abwenden musste. Da geriet die Frau in entsetzliche Furcht und rief den Herrn Jesus um Hilfe an. Kaum hatte sie aber den heiligen Namen ausgesprochen, da erlosch die Flamme und das Schwein rannte laut brüllend davon. Darüber wurde ihr Mann so wütend, weil er glaubte, sie habe nun das Heben des Schatzes verhindert, dass er den Spaten nach ihr warf und sie damit erschlug. Als aber die Scharwache gegen Morgen zurückkehrte, fand sie die arme Fran zwar noch am Leben, jedoch auf den Tod verwundet; den Mann aber als einen am Kopf und Bauch grässlich verstümmelten Leichnam, wie von den Zähnen eines wilden Tieres zerfleischt. Auch hörten sie dabei das Grunzen eines Schweines, ohne es aber zu sehen. Jenes Gässchen, das hinter dem Fleischscharren herum vom alten Markt zur Schwertfegerstraße führte, später aber beim Umbau des Fleischscharrens verschwand, hieß davon die Saugasse. Ein brennendes Licht bemerkt man noch heute in der Nacht des Frauentages an der Stelle, wo vormals neben dem Kak, der als Denkmal der strafenden Gerechtigkeit stand, das Schwein gewühlt haben soll.

Quelle: Oskar Ebermann, Die schönsten Sagen von der Elbe und den anliegenden Landschaften und Städten, Verlag Hegel & Schade, Leipzig