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Der Drache in Gehren

  R. Scharnweber & O. Jungrichter: Sagen, Anekdoten und Schnurren aus dem Kreise Luckau, Berlin 1933

In Gehren war eine Wirtschaft, die hatte einen Drachen. Der lag oben auf dem Hausboden in einem Verschlage und war so groß wie ein Kalb und hatte feurige Augen. Und die Wirtin tat ihn allein versorgen.

Einmal war Spinte im Hause und die Hausfrau hatte vergessen, den Drachen zu versorgen. Als es schon spät war, fiel es der Wirtin ein und sie ging aus der Stube nach dem Boden. Mit einem Male hörten die jungen Burschen und Mädchen einen Lärm, wie wenn eine Tonne die Treppe herunter fiele. Da wollten die Burschen aus der Tür, um zu sehen was los ist. Aber sie kriegten die Tür nicht los. Da machten die Burschen durch die Fenster und wollten von außen ins Haus. Aber das ging auch nicht.

Nach einer Weile ging die Stubentüre auf und die Wirtin kam herein und war ganz verstört und „ins Jesicht janz zerleddert“. So hatte sie der Drache in seinem Zorne vorgehabt. Die Spinte war gleich zu Ende.

Als die Wirtin alt war und zu sterben ging, konnte sie nicht sterben, weil der Drache noch im Hause war. Da kam ihre Tochter, die in eine andere Wirtschaft hineingeheiratet hatte und holte den Drachen weg. Nun konnte die Wirtin sterben.

Die Tochter behielt den Drachen in ihrer Wirtschaft und sie wurden reiche Leute. Manchmal Abends flog der Drache aus dem Dachfenster und die Menschen in Gehren haben ihn gesehen.

Quelle: E.H.Wusch: Sagen meiner Heimat, eine Sammlung mündlich übertragener Sagen der Lausitz