<<< zurück | Sammlung bergmännischer Sagen | weiter >>>

Der Förster und die Venediger im Schulthale

A. Vor vielen Jahren ist in Altenau ein Jäger gewesen, welcher einmal auf einer Wiese im Schultal lag oder schlief. Da kamen ein paar Venediger, welche immer zum Bruchberg gingen, um Gold herauszuholen, das kein anderer zu finden wusste, weckten ihn und fragten, ob er ihnen den Weg zum Bruchberg zeigen könnte. Der Jäger wusste in der Gegend gut Bescheid und führte sie. Am Bruchberg war eine kleine Grube, welche wie ein Stollen in den Berg hineinführte. Hier wühlten sie gelbe Erde auf und füllten damit ihre Beutel. Diese Erde aber war pures Gold. Wie sie fertig waren, legten sich alle nieder und schliefen. Als sie aber wieder aufwachten, waren sie alle in Venedig. Die beiden Gefährten führten den Jäger in der Stadt umher und zeigten ihm in ihrer Wohnung ihre unermesslichen Schätze von Gold, Silber und Edelsteinen, mit denen viele Schränke gefüllt waren. In einem solchen Schrank hatten sie eine ganze Jagd: Hirsche, Rehe, wilde Schweine und viele andere Tiere, alle entweder von Gold oder von Silber. Der Jäger bekam zum Andenken einen silbernen Hirsch. Als der Jäger des anderen Morgens aufwacht, ist er wieder im Schultal auf der Wiese, wo er gelegen hatte, der silberne Hirsch lag neben ihm. Als nun der Jäger wieder zu jener Grube wollte, fand er weder diese noch den Weg zu ihr.

Dieselbe Sage wird auch folgendermaßen am Oberharz erzählt:

B. Ein Revierförster ging eines Morgens in sein Revier. Da sah er von Weitem sechs Menschen kommen. Er ging auf sie zu und fragte, was sie da machten. Er kannte aber keinen davon, weil sie so unscheinbar waren und keine rechte menschliche Natur hatten. Er drohte ihnen und sagte, sie möchten ihm sein Revier nicht ruinieren, ging aber fort, ohne sie weiter zu verstören. Am anderen Morgen ging er wieder an diese Stelle, um nach den Männlein zu sehen, traf aber niemanden mehr. Er setzte sich hin und schlief ein. Als er aufwachte, war er in einer ganz fremden Gegend. Er schritt vorwärts und gelangte an ein großes Wasser.

Da kam ein Hund und erbot sich, ihn über das Wasser zu tragen. Als er herüber war, fand er einen großen Garten, darin waren Vögel, die konnten sprechen, und ein Haus, so durchsichtig wie Kristall. Da erschienen die sechs Männlein und führten ihn in das Haus. Hier war alles von Gold, selbst die Tiere: Hirsche, Hasen, Füchse usw. Die Männlein forderten den Förster auf, sich etwas auszuwählen. Er wählte einen Zehnender. Nun nötigten sie ihn zum Essen. Die Speisen waren weiße Schlangen. Der Förster sagte zwar anfangs, das könne man nicht essen, aber das half ihm nichts. Nun musste er sich in ein Bett legen, und als er erwachte, saß er wieder unter dem Baum in seinem Revier und schaute um und um, ob er denn träume oder wache. Neben ihm sprudelte eine Quelle, aus dieser kam eine jener Naturen heraus und sagte ihm, dass er nicht schlafe. Neben ihm läge der Hirsch, den er sich gewünscht habe. Dann verschwand das Männlein wieder. Der Förster aber ging mit seinem goldenen Zehnender erfreut und verwundert nach Hause.

Quelle: Friedrich Wrubel, Sammlung bergmännischer Sagen, 1883