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Die Berggeister in den Kamsdorfer Bergwerken

In den Kamsdorfer Gruben gibt es Berggeister von mancherlei Art und Gestalt, ja auch von gutem und schlimmem Wesen. Sie erscheinen bald als graue Zwerge, führen als solche den Namen Bergmönche und zeigen den Bergleuten reichhaltige Erzgänge an. Bald sitzen sie als feurige Riesen auf den Halden des Bergwerks und warnen die Arbeiter vor dem Anfahren, wenn ihnen ein Unglück zuzustoßen droht. In jeder von beiden Gestalten erweisen sie sich von Natur gutartig, nur können sie großes Geräusch und Neckereien nicht leiden. Darum vermeidet der Bergmann jedes unnütze Lärmen bei seiner unterirdischen Arbeit und keiner wagt, dort im Dunkeln zu pfeifen oder Fluchworte auszustoßen, wie beides wohl stündlich von ihm ungescheut am hellen Tag geschieht. Den Flucher stürzen sie hinunter in den tiefsten Schacht oder drehen ihm den Hals um, das Gesicht zum Nacken.

Oft helfen sie auch, in graue Kutten gekleidet, dem Bergmann, dem sie wohlwollen, bei seiner Arbeit, und alles geht dann wunderbar schnell vonstatten. Ihre Stimme gleicht dem Krähen eines Hahnes. Bisweilen sieht man diese Geister in Katzengestalt auf den Erzstufen sitzen, die zutage gefördert worden sind, und mit großen, feurigen Augen diese Schätze bewachen.

In einer dieser Kamsdorfer Gruben hielt sich ein Bergmönch auf, klein und dick, garstigen Ansehens, mit Augen im Kopf so groß wie Käsenäpfe. Dabei war er aber ganz gutmütig, lebte still vor sich hin und arbeitete in dem Bergwerk wacker mit. Besonders pflegte er die armen Bergjungen, wenn sie müde geworden waren, zu unterstützen und abzulösen, aber er sprach nie ein Wort dabei. Jeden Morgen musste ihm der anfahrende Junge eine Pfennigsemmel mitbringen und an einen bestimmten Platz legen. Einstmals kamt ein anderer Junge darüber, der dem Bergmönch gern einen Schabernack antun wollte, und aß die Semmel weg. Als später der Kübel in die Höhe gezogen wurde und oben anlangte, fand sich der Junge, der die Semmel gegessen hatte, darin. Er war tot, der Mönch hatte ihm den Hals umgedreht und ihn in den Kübel gedrückt, dass ihm Hören, Sehen und Semmelessen auf immer verging.

Quelle: Friedrich Wrubel, Sammlung bergmännischer Sagen, 1883