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Das Alraunmännchen

  Gräve S. 74. Joh. Rists Märzgespräche.

Die Alraunmännchen, auch Heinzelmännchen und Galgenmännchen genannt, schnitzt man bekanntlich aus der wunderbar bezaubernden Alraunwurzel. Diese wächst besonders auf dem Falkenberge bei Neukirch und in der Muskauer Haide. Man gräbt sie in der Mitternachtsstunde der Johannisnacht aus, wobei sie einen Schrei von sich giebt, (denn sie ist ursprünglich ein in eine Pflanze verzauberter Mensch) wovon man sich aber nicht schrecken lassen darf.

Wer ein solches Männchen besitzt, dem kommt Glück und Segen ins Haus, es raunt ihm die Zukunft ins Ohr, läßt ihn Vergangenes schauen, macht ihn klug und weise, bewahrt ihn vor bösen und umgiebt ihn mit guten Geistern, macht ihn hieb- und stichfest, braut Liebestränke, heckt Geld, verschafft Leibeserben. Dr. Faust, Berthold Schwarz, der Erfinder des Schießpulvers, und alle Zauberer, Hexen, Alchymisten und Goldmacher besaßen solch ein Alraunmännchen.

Anmerkungen:

  1. In Adelung's neu eröffneter Schatzkammer 1669. 4., Joh. Sam. Schmidts commentatio epistolica de alrunis Germanorum, Magd. 1738., Horst's Zauberbibliothek, Mainz 1821. und in den neueren Werken von Grimm, Nork, Schindler findet sich der Aberglaube vom Alraunmännchen mit all seinen schauerlichen Einzelnheiten. Schon Josephus de bello Iudaicol. VII., c. 28. beschreibt die Gefahren bei der Ausgrabung der Wurzel. Theophrastus Paracelsus vervollständigt den Bericht. (l. IX., c. 9.)
  2. Der Name ist zusammengesetzt aus Al und raunen = runen = wissen. Die Seherin Aurinia, von der die römischen Geschichtsschreiber sagen, sie sei nächst der Veleda die berühmteste deutsche Wahrsagerin gewesen, hat ihren Namen von demselben Worte Aurinia = Alruna (Grimm, Myth. S. 376.).
  3. Die Wurzel soll dieselbe sein, welche die Botaniker Atropa Mandragora (L.) nennen. Plinius XXV. 13. kennt eine weiße männliche und eine schwarze weibliche und warnt vor ihrer Ausgrabung.
  4. Die Septuaginta übersetzen die Dudaim, welche Ruben seiner Mutter Lea bringt, durch ujla uavbgayagov. Dudaim aber heißt Liebesapfel, von TT Liebe. Nach Hesychius hatte die Venus den Beinamen uavbgayagtig. Diese Dudaim werden im Orient zu Liebestränken gebraucht.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862