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Spuk am Kreuzwege in der Sylvesternacht

  Mündlich von Arbeiter Soppe zu Guben, früher zu Wallwitz

Als der Bahnwärter A. in Wallwitz Soldat war, kam er einmal um die Neujahrszeit auf Urlaub. Er war ein starker, dreister Bursche.

Am Sylvesterabend sagte er zu seinen Altersgenossen im Dorfe: „Ich werde heute doch mal auf den Kreuzweg gehen, um zu sehen, was da alles kommen wird!„ In der zwölften Stunde begab er sich auf den Kreuzweg am Kirchhofe und machte mit seinem Seitengewehr einen Kreis in die Erde, stellte sich in denselben und sagte seinen Spruch dazu.

Kaum war er damit fertig, dann kam eine feurige Tonne angerollt, hierauf erschien ein Mann ohne Kopf, alsdann ein Bullen ohne Kopf, darauf ein Weib mit einem Besen und ein anderes mit einer Krücke, beide ohne Kopf. Ein Gespenst nach dem anderen kam dicht an den Kreis heran und jedes fragte: „Sind die andern schon lange vorbei? Sind die andern schon lange vorbei?“

Der Soldat stand aber unbeweglich im Kreise und antwortete nicht. Zuletzt kam der Nachtjäger und zog in der Luft über den Kreuzweg hinweg. Er ritt auf einem Pferde, und eine große Menge Hunde liefen neben ihm her und erfüllten mit ihrem Gekaffer (Gebell) die Luft. Auch jetzt war alles ohne Kopf. Der Nachtjäger schrie ebenfalls: „Sind die andern schon lange vorbei? Sind die andern schon lange vorbei?“

Als die Stunde um war, ging der Soldat ohne Schaden nach Hause.

„So hat mir A. das erzählt, wenn er gelogen hat, lüge ich wieder,„ meinte der Erzähler.

Quelle: Niederlausitzer Volkssagen vornehmlich aus dem Stadt- und Landkreis Guben, gesammelt und zusammengestellt von Karl Gander, Berlin, Deutsche Schriftsteller-Genossenschaft, 1894