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Der Jungfernsprung auf dem Oybin

  N. L. Mag. 1838 S. 384. Gichke, der Dybin und seine Ruine S. 64. 
  Pesched, der Oybin bei Zittau S. 25 sq. 
  Büsching, Volkssagen S. 179 sq., 
  poet. beh. von Ziehnert Bd. II. S. 47 sq. 
  und Segnitz Bd. II. S. 54 sq. 
  Novellen, beh. in Sagen und übtheuer vom Oybin. Abendi. Eintausend und 
  eine Nacht, Bd. X. S. 115, Bd. XIV. S. 223. 
  Winter in der Laus. 3. 1854 No. 207.

Dicht neben der herrlichen Klosterruine auf dem Oybin ist auch ein tiefer Felsenspalt, der den merkwürdigen Namen Jungfernsprung führt. Ueber die Entstehung dieses Namens giebt es drei Sagen.

I.

Im Jahre 1601 hatten sich nach einer noch jetzt üblichen Sitte am Johannistage die Bewohner von Zittau und Umgegend in großen Schaaren auf dem Oybin zusammengefunden. Unter ihnen war auch ein junges Mädchen aus Zittau, dieser durch seine schöne Mädchen so berühmten Stadt. Mit ihren Gespielinnen machte sie im Scherz eine Wette, diese Kluft zu überspringen. Die Damen trugen damals Pantoffeln, und so kam es, daß die schöne Zittauerin den Pantoffel verlor, wodurch der Sprung geschwächt wurde und sie hinabstürzte in die Kluft. Laut schreiend und vor Schrecken starr standen die Gefährtinnen am Rande des Abgrundes, aber siehe da, dem waghalsigen Fräulein war gar nichts geschehen, der Reifrock, den sie trug, hatte sie wie ein Fallschirm sanft und sicher heruntergetragen. Daraus ersieht man, daß diese geschmacklose Mode doch auch ihren Vortheil hat.

II.

Eine andere Sage erzählt von einem verliebten Jäger, welcher mit der Wuth der Leidenschaft ein sittsames Mädchen bis auf den Berg verfolgte. Sie flüchtete sich hinter die Kirche, der Jäger ihr nach. Athemlos lief sie weiter, sie gelangte an die Schlucht, wagte den gefährlichen Sprung und rettete so ihre Tugend.

III.

Nach einer dritten Erzählung war es ein Mönch aus dem Cölestiner Kloster des Oybins, welcher eine Nonne verfolgte, von der die Sage nicht erzählt, wie sie auf den Oybin gekommen sei; genug, sie wagte ebenfalls den gefährlichen Sprung und rettete ihre Ehre.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862