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Ramberg

Auf die ihrer herrlichen Aussicht halber viel besuchte Viktorshöhe zu gelangen, muss man den prächtigen Wald des Ramberges durchschreiten. Die mächtigen Kronen der alten Buchen lassen die Sonnenstrahlen nur schüchtern durchblicken. Beweglichen Lichtern gleich tanzen sie über den saftig grünenden Rasen, dass er in unzähligen Farben schimmert. Das leichte Rauschen der Wipfel und lieblicher Vogelsang, begleitet von dem Summen und Brummen der kleinen, zartgeflügelten Musikanten – das sind die einzigen Töne, die wir vernehmen und die wie ein Loblied auf die schöne Gotteswelt unsere Brust durchdringen. Ist die Höhe des Berges fast erreicht, so zeigt sich uns etwas seitwärts vom Wege eine Felsengruppe, die malerisch aus der freundlichen Umgebung herausblickt. Diese übereinander getürmten Felsblöcke werden die Teufelsmühle genannt. Über die Entstehung dieses Namens geht folgende Sage:

In altersgrauer Zeit wohnte ein armer Müller in der Nähe des Ramberges. Seine Mühle war zerfallen und so unbrauchbar geworden, dass er trotz allen Fleißes nichts verdienen konnte und oft mit seiner Familie bittere Not leiden musste. Wollte dann der unbarmherzige Wind durchaus nicht die Flügel seiner Mühle treiben, dann saß er in traurigem Nachdenken versunken vor seiner Tür und blickte hinauf zum Ramberg, wo sich beim leisesten Luftzug die Wipfel der Bäume im Winde bogen.

»O, hättest du dort deine Mühle, wie schnell würdest du zu Reichtum gelangen!« Das waren seine Gedanken tagaus, tagein. Sie nahmen ihn schließlich so gefangen, dass er seine Armut nicht mehr ertragen konnte. Er wollte um jeden Preis reich werden, möge es geschehen, auf welche Weise es wolle. Ihm galt alles gleich, und so wurde der böse Entschluss in ihm reif, den Teufel zu Rate zu ziehen. In stockfinsterer Nacht ging er tief in den Wald und rief den Bösen, der nicht lange auf sich warten ließ und mit höhnischem Grinsen das Anliegen des Müllers vernahm.

»Also reich willst du werden«, sprach der Teufel, »nun gut, ich will dir helfen und dir vor dem nächsten Hahnschrei auf der Kuppe des Ramberges die schönste Mühle bauen. Dreißig Jahre magst du dich denn des Reichtums und Wohllebens freuen, dann aber gehörst du mir mit Leib und Seele.«

Der Müller war mit den Bedingungen zufrieden. Nachdem er sich noch einige Hände voll Gold ausgebeten hatte, unterzeichnete er den Vertrag mit seinem Blut.

Des erlangten Goldes erfreute der Müller sich sehr, denn nun war er auch ohne die Mühle ein reicher Mann. Im Geheimen hoffte er, dass diese nicht zur bestimmten Zeit fertig und somit der Vertrag ungültig sein werde. Denn ganz wohl war ihm trotz des Goldes nicht zumute, wenn er an die Sünde dachte, deren er sich schuldig gemacht hatte. Wie er aber sah, mit welcher Geschwindigkeit der Teufel und seine Gehilfen Fels auf Fels fügten, die sie mit Windeseile vom Blocksberg herabholten, wie sie mächtige Bäume entwurzelten und mit welcher rasenden Schnelle ein gewaltiger Bau entstand, der bald riesenhoch in die Luft hineinragte. Da wurde ihm angst und bange, und die Hoffnung, dass es dem Bösen unmöglich sei, sein Wort zu halten, schwand mehr und mehr. Wie gern hätte er nun das Gold zurückgegeben und wäre in seine Hütte zurückgekehrt, wenn er nur den Banden des Bösen hätte entrinnen können! Was tun? Ein Entfliehen war nutzlos, da der Teufel ihm überall folgen würde. Wie er nun voller Angst seine Lage überdachte, kam ihm ein guter Gedanke. Er bat den Teufel, einen Sachverständigen hinzuziehen zu dürfen, der die Mühle prüfen solle, um zu sehen, ob alles in Ordnung sei. Diese Bitte wurde ihm gewährt. Die Wahl des Müllers fiel auf den Meister der Innung, der wegen seiner Schlauheit allgemein bekannt war und schon manchem aus der Verlegenheit geholfen hatte.

Der Müller eilte zu ihm, bat ihn mitzukommen und erzählte ihm, was sich zugetragen hatte. Eine kurze Weile besann sich dieser, dann gab er seine Ratschläge für den Fall, dass die Mühle wirklich fertig sei. Doch sei dies seiner Meinung nach unmöglich.

Als die beiden die Höhe des Ramberges betraten, hatte noch keiner einen Hahnschrei gehört und schon stand zu ihrem größten Erstaunen die Mühle fix und fertig vor ihren Augen. Der Teufel grinste sie höhnisch an und freute sich der gewonnenen Menschenseele.

Nun wurde das Werk in Gang gesetzt. Aber die Hoffnung, dass etwas daran fehlen sollte, erfüllte sich nicht; alles war in schönster Ordnung. Der Innungsmeister suchte und suchte, bis er endlich einen noch fehlenden Stein entdeckte, den der Teufel aber schleunigst einfügte. Der Müller schlich sich unterdessen heimlich aus der Mühle. Unbemerkt von den anderen löste er schleunigst den Läufer ab, der mit großem Geräusch ins Tal hinunterrollte. Geschwind sprang der Teufel hinterher und beinahe war er wieder oben angelangt, als der erste Hahnschrei erscholl. Der Teufel aber, wütend, dass es dem Müller gelungen war, den Vertrag nichtig zu machen, und dass ihm die Menschenseele, die er schon in seinem Besitz gewähnt hatte, wieder entgangen war, riss den ganzen Bau ein und warf die Felsstücke über den Ramberg. Der Müller war erschreckt fortgerannt, aber hier an dieser Stelle trafen und zerschmetterten ihn die vom Teufel ihm nachgeschleuderten Felsstücke.

Quelle: Im Zauberbann des Harzgebirges, Sagen und Geschichten, gesammelt von Marie Kutschmann, Flemming, 1890