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Dutschmann

Auf dem zu Budissin am Markte bei der Rathswaage befindlichen Wassertroge befindet sich ein steinern Standbild, einen bewaffneten Mann in Römertracht vorstellend, mit einem starken Barte, in der rechten Hand eine Fahne, in der linken ein Schild mit dem budissiner Stadtwappen und ein kurzes Schwert an der Seite tragend. Die Figur ist unter dem Namen Dutschmann bekannt und verbreitet sich darüber folgende Sage:

Sey einst gewesen ein wendischer Fürst, wild und unbändig, dabei ein kühner, verwegner Reiter1), welcher sich anheischig gemacht, mit seinem Pferde über den Wasserkasten zu setzen, auch selbiges ausgeführt habe, – nach einer andern Erzählung aber, habe er sich mit dem Pferde überschlagen und sey in dem gefüllten Wasserkasten ertrunken. – Zur Erinnerung sey dieses Standbild errichtet worden.

Sollte eine Wahrheit dieser Sage zum Grunde liegen, so kann dieses Mannes Name (über die sogenannten wendischen Könige und Fürsten wurde bekanntlich kein Staatskalender gehalten und die von ihnen bekannten Namen wurden wahrscheinlich germanisirt) unmöglich Dutschmann (als welcher ächt teutsch und von dem gemeinen Worte: Dutsche, Tunke herkommt, also ein Mann, der Flüssigkeiten liebt,) gewesen seyn.

Uebrigens war zu jener Zeit die Skulptur bei den Wenden nicht auf der Höhe, daß sie so ein Produkt hätte hervorbringen können und ihre Feinde, die Teutschen, möchten es wohl nicht gemeiselt haben. Das Standbild ist unstreitig neuern Ursprungs, vielleicht irgend eine Kopie nach einer Herrmanns-Säule, vielleicht aber auch nur eine in dem Kopfe eines Bildhauers entstandene Idee.

Geschichtlich merkwürdiger war der vor diesem Troge, gegen Osten zum Reichenthore hin, ehemals befindliche, vier und eine halbe Elle lange und eine halbe Elle hohe Stein, auf welchem König Wenzel am 30. Septbr. 1403 fünfzehen Rädler, welche den alten Rath eigenmächtig abgesetzt hatten, enthaupten ließ2). Andre hielten gedachten Stein jedoch für eine zum Fischverkauf geeignete Bank, wie solche in mehrern Städten gebräuchlich3).

Quelle: Heinrich Gottlob Gräve, Volkssagen und volksthümliche Denkmale der Lausitz. Reichel, Bautzen 1839, Seite 110


1)
Wenn gleich das Zeitwort verloren gegangen und man sich dafür des teutschen mit wendischer Endung bedient, so ist doch noch das Hauptwort Drab, Reiter, bekannt.
2)
S. den Aufsatz darüber von mir im 8ten Bande der Erinnerungsblätter, b. Schumann, vom Jahre 1820. S. 401.
3)
S. die merkwürdigsten Schicksale der Oberlausitz etc. von August Böhland. Budissin 1831. 8. S. 82.