Vom ewigen Jäger

  Gustav Laue, Münstereifeler Zeitung vom 15. Februar 1927; 

In Münstereifel lebte einst ein Schuster, dem sein Handwerk so gar nichts mehr bedeutete, wohl aber mehr zur Last wurde. Das kam daher, dass er leidenschaftlich gern auf die Jagd ging. An Arbeit in seinem Handwerk hatte es ihm nimmer gefehlt, wohl an gutem Willen. Wie oft mussten die Leute ihre zum Ausbessern abgelieferten Sachen wieder mitnehmen, weil nichts ausgeführt wurde.

So fand der Mann reichlich Zeit, den Tieren des Waldes nachzustellen. Den geringen Erlös aus dem Verkauf des Wildes vertrank er in leichtsinniger Gesellschaft und vergaß darüber Weib und Kinder, die darob in bitterste Not gerieten. Weil nun eine Mutter lieber selbst hungert, ehe sie ihre Kinder darben lässt, so währte es nicht gar lange, bis sie entkräftet aufs Krankenlager niedersank – eine leichte Beute des Todes.

Mit aschfahlem Antlitz und schreckstarrem Blick hastete der Schuster ans Bett seiner Frau – man hatte ihn aus dem Wirtshaus rufen lassen. Zu spät! Im Fieberwahn redete die Frau schreckliche Dinge und rief plötzlich mit markerschütternder Stimme: „Mag er immerdar im Walde umherstreifen, der Müßiggänger, Trunkenbold und ewige Jäger!“

Es war ihr letztes Wort und von der Stunde an geistert der ewige Jäger im Münstereifeler Wald und begegnet mitunter um die Mitternacht heimwärts wankenden Zechbrüdern, die sich in Münstereifel beim Glas und Spiel verspätet haben. Doch nimmer vergessen sie den todtraurigen Blick, mit welchem er sie anguckt und dann mit seinem Dackel wie ein Schatten müde und kraftlos dahinschwebt.

Die Münstereifeler mögen schon recht haben, wenn sie von jemandem, der auf ähnliche Weise sein Hauswesen zugrunde richtet und seine Familie an den Bettelstab bringt, sagen: „Dä schüss sich dat Fett von dä Zupp!“

Quelle: Sophie Lange: Im Dunkel der Nacht, 2001, Seite 69; www.sophie-lange.de