Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes | weiter >>>

Thüringen

Ich bring' Euch treu gewunden den reichen Sagenkranz;
Ich reich' ihn dar den Freunden des trauten Heimathlands.
Oft war in stillen Stunden, die Musengunst beschied,
Thüringen meine Freude, mein Saitenspiel, mein Lied.

Und sollte nicht erwecken das Land der Lieder Klang?
Und sollt' es nicht begeistern zu feierndem Gesang?
Das Land, so reich an Reizen, so mancher Sage Schoos,
Deß Gegenwart so blühend, Vergangenheit so groß?

Schon alte Lieder tönen Dein Lob, Thüringerland,
Die Herzen Deiner Kinder sind stets Dir zugewandt.
Aus Palästina's Fluren kehrt' heim ein Rittersmann,
Der prieß die güldne Aue hoch über Kanaan.

Die Bergesgipfel ragen empor zur Wolkenbahn,
Und kräft'ge Wälder tragen die Kronen himmelan.
Süßtraulich murmelnd plätschert ein Bach durch jedes Thal;
Von manchem Felsen stürzt sich ein lichter Wasserstrahl.

Auf Deinen Bergen stand ich, oft rastend, ohne Ruh,
Und Deinen Thälern sand' ich dann tausend Grüße zu.
In Deinen Seen erglänzte der Sonne Flammenbild,
Und Abendroth umkränzte manch liebliches Gefild.

Die stillen Seen, umflüstert von windbewegtem Rohr,
Sie schlagen Liebesaugen zum Himmel fromm empor;
Der Himmel tauchet nieder in die krystall'ne Fluth,
Als woll' er drunten kühlen sich von des Tages Gluth.

Der Burgen Trümmer schauen herab von wald’gen Höh'n;
Wir wollen drum nicht trauern, daß sie zerbrochen stehn,
Noch glühn die alten Warten, geküßt vom Abendstrahl,
Gleich blutigen Standarten hoch über manchem Thal.

Und in der Thåler Schatten ruht mancher Klosterbau,
Verlassen und verfallen, die Mauern starr und grau.
Wo Hymnen fromm ertönet und Psalm und Bußgesang,
Schallt jetzt des Schäfers Flöte zu Heerdenglockenklang.

Oft ist mir in Ruinen im Abenddimmer, spät,
Der Vorzeit Geist erschienen, und hat mich leis umweht,
Als wollt er mich zum Sånger des Heimathlandes weihn,
Und ich will nun nicht länger dem Ruf entgegen sein.

Thüringerland, Du hast mich zum Dichter ja geweiht,
Du sandest einen Stern mir, ach, in gar trúber Zeit,
Und eine Rose zeigtest Du mir, so blühend schön;
Gut, daß wir Rosen weiter, als ihre Dornen, sehn.

Wer mußte nicht erfahren Verkennung oder Neid?
Auch mir, in frühen Jahren, ward oft mein Lied zum Leid.
Doch da nun schön're Richtung der Himmel mir beschied,
Ward oft mein Schmerz zur Dichtung, und ward mein Leid zum Lied.

Mir blühn Erinnerungen an schöne Zeiten still,
Die hält mein Herz umschlungen, das sie nicht missen will.
Ich las der Freundschaft Segen aus manchem treuen Blick
Und fand auf Blumenwegen der Jugendliebe Glück.

Die Gera sah ich wallen durchs Thal mäanderisch,
Dort sangen Nachtigallen sanftflötend im Gebüsch;
Wie hab' ich Lustaccorden stilllauschend oft gesäumt,
Und an den Blumenborden der Werra süß geträumt!

Wie rauschen Ilm und Saale an heitern Städten hin!
Wie blickt zum Hörselthale der Burgen Königin!
Die Unstrut kommt gezogen gar brausend oft und wild,
Und tränkt mit vollen Wogen ein blühendes Gefild.

Du, Wartburg, schaust herunter vom Berg, Du stolze Zier,
Ein Greisenbild, doch munter naht frohe Jugend Dir.
Ihr Gleichen, einsam ragend auf Euern Bergeshöhn,
Scheint nicht ein Flüstern klagend von Euch durchs That zu wehn?

Die Sage wandelt sinnend durchs Land von Ort zu Ort
Und pflanzt in ihren Garten der Dichtung Blumen fort.
Sie weilet in Ruinen, sie lauscht am Felsenhang,
In Hainen rauscht ihr Flüstern, wie ferner Harfenklang.

Sie schwebt um stolze Burgen, sie weilt beim Halmendach,
Sie thront auf Felsenstirnen, sie spielt am Waldesbach,
Sie hat sich mit dem Lande so liebend treu vermählt,
Daß sie fast aller Orten von alter Zeit erzählt.

Wie duften kühl im Schatten die Waldeskräuter frisch,
Wie blühn die grünen Matten so bunt und zauberisch !
Melodisch klingt im Walde das läutende Getön,
Wenn auf der Bergeshalde die Heerden weidend gehn.

Waldeinsamkeit ! Wie grüßt mich die grüne heil’ge Nacht!
Von weitem seh' ich prangen der Wunderblume Pracht!
Die Zauberglocken klingen, zum Berg hinan! hinan!
Bald sind dem sel❜gen Finder die Pforten aufgethan!

Quellen: