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Das Läuten der Martins-Gans

Im Jahre 1224 hat es sich zu Erfurt zugetragen, daß zwei Dompfaffen auf St. Martini-Abend in einer Collation bei einander gesessen und ein herrlich Banket von allerlei köstlichen Speisen und Getränken mit ihrer Köchin gehalten haben. Wie sie nun in Fröhlichkeit bei einander sitzen, hat einer derselben zu dem andern gesagt: „Weil wir es dahin gebracht, daß wir also genügliche Zeit haben und täglich mit guten gewürzten Speisen uns ersättigen, so wäre es kein Wunder, wenn die Armen, die nimmer was Gutes zu essen haben, unsern Mist verzehrten. “ Darauf hat der andere geantwortet: Ich hatte gleich Willens solches auch, wenn ihr mir nicht zuvor gekommen wäret, gegen euch zu gedenken. „ Während sie so reden, fällt das Gemach, darin sie gesessen, unter ihnen ein, und da ein garstiger Sumpf, darin allerlei Unflath aus den heimlichen Gemächern gelaufen war, darunter gewesen ist, sind sie mit einander in denselben gefallen und versunken, daß man keinen derselben weder todt noch lebendig jemals darin gesehen, noch hat finden können. Deswegen hat der Papst von ihren Gütern gestiftet, daß man jährlich auf den Abend St. Martini um 8 Uhr an allen Orten eine ganze Stunde lang ihnen zum ewigen Gedächtniß hat läuten müssen, wie denn dieser Brauch an vielen Orten noch vor kurzer Zeit üblich gewesen ist. Weil aber Niemand wußte, woher solches Läuten gekommen ist, ist es genannt worden „der Martins - Gans läuten“.

Quellen: