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Burg Liebenstein

Der unglückliche Asmus von Stein hatte zwei Brüder; der eine hauste auf dem Landsberg bei Meiningen, der andere bewohnte eine dicht verwachsene Capelle im alten Wahl „ ( einem Wiesengrunde südlich vom Dorfe Liebenstein). Nachdem nun die Burg, ungeachtet des lebendig eingemauerten Kindes, von Feindes Hand zerstört ward, da ist der alte Asmus im Schmerze der Verzweiflung zu seinen Brüdern geeilt, und hat sie erdolcht. Und weil auch er den Fall seines Ahnenschlosses nicht überleben mochte, so hat er seinem letzten Diener, nachdem er mit ihm all ' seine Kostbarkeiten und 9000 Gulden baren Geldes in den halbverschütteten Keller geborgen, und sich selbst den Tod gegeben. Nun aber wandert er, ein gespenstiger Geist, durch das öde Gemäuer und Viele wollen den alten Herrn mit einem dreieckigen Hute, mit einem langen, großknöpfigen Rocke und mit hirschledernen Hosen angethan gesehen haben. Aber der Keller, in welchem die Schätze samt drei Fässern kostbaren Weines, der, nachdem die hölzernen Dauben vermodert, eine dichte Haut um sich gebildet hat, ruhen, ist bis jetzt nicht aufgefunden worden, so viele schatzsüchtige Hände auch darnach gegraben.

Innerhalb der Ringmauern prangt ein Kranz von Ahornbäumen. Durch ihre Zweige flüstert folgende Sage: „Einst hat einem Bauernmädchen des Dorfes Liebenstein aus der Heller'schen Familie drei Nächte hindurch geträumt, daß sie zur Burg kommen und ein verwünschtes Fräulein erlösen solle. Sie hat's gethan, nachdem sie ihr Vater bis in den Schloßgraben geleitet. Da hat sich ein lichter Nebel aus dem Innern der Burg herabgesenkt, der sich zu einer weißen Dame gestaltet und sie also angeredet hat: „Gehe in drei benachbarte Kirchen und lege für meine Sünden einen Gottespfennig in das Cymbelsäcklein und backe Brod und theile es unter die Armen. Dann komme zum Palmsonntage wieder hierher , wo ich erlöst zur Gnadenpforte eingehen werde, und du sollst eines Schatzes theilhaftig sein, der nur dir oder deinen Nachkommen bestimmt ist; und wenn du, dereinst in Noth, dich nach dem Schatze sehnst und die Stätte nicht finden könntest, allwo er ruht, so will ich zum bleibenden Merkmal einen grünen Kranz darum wachsen lassen. “ Die Gestalt verschwand und das Mädchen that, wie ihm geheißen ward. Und als sie an dem nächsten Palmsonntage im Abenddämmerschein mit einer Freundin zur Burg geht, da flötet süße Musik ihr entgegen und sie denkt, es seien die Steinbacher, die zuweilen in dem alten Schlosse ihre Kunst entfalteten. Als sie aber den Burghof betreten, da verstummt die Musik, und das Mädchen ahnet, daß die weiße Frau die Stunde ihrer Erlösung feiert; doch an den Schatz denkt sie nicht. Erst da sie alt geworden und von Noth und Kummer heimgesucht war, da spricht sie zu ihrer Tochter: „ Was grämen wir uns. Habe ich doch einen Schatz auf dem alten Liebenstein, den wollen wir heben!„ Und das gebeugte Mütterchen wanket mit ihrer Tochter zum Berg hinan und sie arbeiten innerhalb des Ahornkranzes, der seitdem gewachsen war, in die Erde hinein. Doch bald ermüden die Hände und es seufzet mit frommer Entsagung die alte Frau: Sind wir zuvor arm gewesen und nicht gestorben, so wollen wir auch arm in die Grube fahren! “

Aber die Nachkommen der Heller'schen Familie haben das Versprechen der weißen Dame bis auf den heutigen Tag noch nicht vergessen, und sie haben kundige Schatzgräber gedungen, daß sie den Zauber lösen und den reichen Schatz ihnen heben möchten. Und es soll geschehen sein, daß sie einmal in einer tiefen Grube, die sie gearbeitet, den eisernen Topf, der wahrscheinlicherweise den Schaß geborgen, mit lüsternen Augen geschaut; aber ein unberufener Theilnehmer des Geschäftes, der nicht zur Familie gehörte, sei hinabgesprungen und habe mit gieriger Hand den verrosteten Deckel des Topfes empor gerissen. Husch! sei der Schatz verschwunden und bis auf den heutigen Augenblick nicht wieder erspäht worden.

Quellen: