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Der Wassermann

  Prätorius Weltbeschr. I, 480 ff.
  Grimm deutsche Sagen I, Nr. 49. S. 61 f.

Im Anfange des 17. Jahrhunderts erzählte eine alte Wehmutter in der Pfarrei zu Preilip bei Saalfeld in Gegenwart des Geistlichen, was ihrer Mutter, die auch Kindfrau war, einmal widerfahren sein sollte. Diese Frau wurde des Nachts gerufen, dass sie sich anziehen und mitgehen sollte zu einer kreisenden Frau. Als sie herunter kam, sagte sie zu dem Manne, der ihrer unten wartete, er möchte ein wenig verziehen, sie wolle erst eine Leuchte holen und dann mitgehen, denn es war eine stockfinstere Nacht. Der Mann aber hatte Eile und versicherte, dass er den Weg schon zeigen wollte, sie sollten nicht irren. Darauf verband er der Frau sogar die Augen, dass sie erschrak und schreien wollte, allein er sprach ihr Trost ein und sagte, dass ihr kein Leid widerfahren sollte, sie möge nur mitgeben. So sind sie mit einander weiter gegangen. Bald merkte die Frau, dass der Mann mit einer Ruthe ins Wasser schlug und sie immer tiefer hinunter gingen, bis sie in eine Stube kamen. Darin war Niemand als die schwangere Frau. Der Gefährte nahm ihr nun das Band von den Augen, führte sie an das Bette und nachdem er sie seiner Frau anbefohlen hatte, ging er selber aus der Stube hinaus. Darauf hat die Wehmutter das Kindlein zur Welt befördern helfen, die Kindbetterin zu Bette gebracht, das Kindlein gebadet und alle dabei nothwendigen Sachen verrichtet.

Aus heimlicher Dankbarkeit sprach die Wöchnerin warnungsweise zur Wehmutter: „ich bin sowohl als ihr ein Christenmensch und weggeführt worden von einem Wassermann, der mich ausgetauscht hat. Er frisst mir am dritten Tage alle meine Kinder; kommt nur am dritten Tage zu eurem Teich, da werdet ihr das Wasser in Blut verwandelt sehen. Wenn mein Mann jetzt hereinkommt und euch Geld bietet, so nehmt nicht mehr Geld von ihm, als ihr sonst zu kriegen pflegt, sonst dreht er euch den Hals um; nehmt euch wohl in Acht.“ Indem kam der Mann, der gar zornig und böse aussah, zur Stube herein, sah sich um und befand, dass alles hübsch abgelaufen war. Er lobte darum die Wehmutter und warf einen grossen Haufen Gold auf den Tisch sprechend: „davon nehmt euch so viel ihr wollt.“ Sie war aber gescheut und antwortete jedesmal: „ich begehre von euch nichts mehr als von andern (welches denn ein geringes Stück Geld gewesen), gebt ihr mir das, so habe ich genug daran; oder ist euch das zu viel, so verlange ich auch gar nichts, ausser dass ihr mich wieder nach Hause bringt.“ Der Wassermann antwortete: „das hiess dich Gott sprechen,“ zahlte ihr so viel Geld aus als sie gefordert hatte, und geleitete sie wieder nach Hause. An den Teich aber ist die Frau an dem bestimmten Tage aus Furcht nicht hingegangen.

Quellen: