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Das Storchengericht bei Kreuzburg

  Chronicon monasterii S. Petri in Paullini syntagma p. 305.
  Nicolai de Siegen chronicon eccl. ed. Wegele p. 393 sq.
  Paullini zeitkürzende Lust II, 680 f.

Im Jahre 1355 geschah es, dass eines Sonnabends gegen Abend eine grosse Menge Störche in die Stadt Kreuzburg kamen und alle Dächer der Häuser, Thürme, Kirchen, ja selbst die Stadtmauer besetzten und einnahmen, dass man auf den Häusern mehr Störche als Dachziegeln sah. Ueber diesen Anblick waren die Leute nicht wenig erstaunt und liefen deshalb verwundert überall zusammen. Am andern Morgen, als man gerade zur Messe läutete, flogen alle Störche nach einer grossen Wiese neben der Stadt beim Heythal gelegen. Einige Leute aus der Stadt gingen aus Neugierde auch hinaus und wollten erfahren, was das zu bedeuten habe. Da sahen sie nun, dass die ganze Schaar der Störche in verschiedene Haufen zusammentraten, als ob sie Verhandlung und Gericht unter einander hielten; auch gehen einzelne Störche hin und wieder, von der einen Partei zu der andern, als wenn sie eine Antwort bringen oder bekommen sollten, wie es eben bei Verhandlungen Hergang ist. Als die Störche nachher wieder davon geflogen waren und den Platz geräumt hatten, fand man drei Todte daselbst zurückgelassen, welche wohl die eheliche Treue verlegt und des Ehebruchs sich schuldig gemacht hatten. Denn nach der gemeinen Sage wird unter den Störchen die Verletzung ehelicher Treue hart bestraft. Sie halten über einen solchen Gericht und tödten ihn, wenn er schuldig befunden wird.

Quellen: