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Der Hörselberg bei Eisenach

Nicht weit von Eisenach, in Thüringen, liegt der Hörselberg, den folgende Sage berühmt macht. Es war eine Königin von Engeland, mit Namen Ronischwig, welche, als ihr Herr und König, der ihr aus dermaßen lieb war (denn er sie, aus einem geringen Geschlechte, zu einer Königin, um ihrer Tugenden willen, erwählt hatte), gestorben war, die Treue an ihm auch nicht vergessen wollte, sondern gab nach seinem Tode viel Almosen, ließ für seine Seele viel Gebete thun, und vermeinete ihren Herrn damit einst aus der Pein und dem Fegfeuer zu erlösen.

Da ward gesagt, daß ihr Herr sein Fegfeuer im Lande zu Thüringen, in einem Berge, der Hörselberg genannt, hätte. In diesem Berge hörten die Inwohner des Landes oftmals jämmerliches Geschrei, von den Seelen oder Gespenstern, die darin lagen, darum ward er von ihnen genannt Hörselberg (Hör Seelen Berg). Daselbst, unter dem Berge, bauete die Königin eine kleine Kirche und ein Dorf dabei, und nannte es Satans Stätte, denn ihr die bösen Geister allda erschienen waren. Das Dorf wird jetzund Sattelstädt genannt. In diese Kirche ging die Königin mit ihren und fast heiligen Jungfrauen, betete oft, gab Almosen und thät andere gute Werke für ihres Herrn Seele, bis an ihr Ende.

Und im Jahre 1398 erhuben sich, am hellen Tage, drei große Feuer in der Luft bei Eisenach und da sie eine Weile gebrannt, kamen sie zusammen und theilten sich dann wieder und fuhren alle zu dem Hörselberge.

Quelle: Johann Gustav Gottlieb Büsching: Volkssagen, Märchen und Legenden, Leipzig, Reclam, 1812,