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Die Ermordung der Tartarischen Kaiserin zu Neumarkt im Jahre 1240

Bei denselbigen Zeiten da regierte ein mächtiger und reicher Tartarischer Kaiser in dem Aufgang der Sonnen. Derselbige unter ihm viel Könige, Fürsten und Herren hatte; welcher mit dem Namen Batus geheißen war. Dieser Kaiser hatte auch ein Gemahl, welche ihm vertraut war nach Weise und Gewohnheit der Tartaren. Diese Tartarische Kaiserin hörte sagen oft und vielmal von ihren Herren und Ritterschaften, von den Sitten und Gewohnheiten der Christenlande, wie die gar löblich und ehrlich wären. Auch desgleichen von der Großmächtigkeit ihrer Fürsten, Herren und Ritterschaften, wie allerwegen dieselbigen bereit wären zu verfechten denselbigen, ihren christlichen Glauben, nicht allein bis auf die Vergießung ihres Blutes, sondern auch bis in den Tod.

Da diese Kaiserin oftmals hatte gehört von den Ihren solch groß Lob der christlichen Fürsten und Ritterschaft, auch von den löblichen und ehrlichen Gewohnheiten derselbigen Lande und Städte, ward sie entzündet aus großer hitziger Liebe und inbrünstiger Begier, solche Land und Städte, desgleichen die Ritterschaft der Christenheit, persönlich zu beschauen. Demnach lag sie ihrem Herrn, dem Kaiser, mit fleißiger und stäter Bitte an, ihr solches zu erlauben, daß sie möchte erfahren die Dinge, welche ihr hatten gesaget ihre Herren und Ritterschaft. Aber der Kaiser allewege ihr die Bitte versagete und abschlug. Aber wiewohl er nicht erlauben wollte ihr Begehren, ließ sie doch nicht ab von solchem Vornehmen und von ihrer Bitte, also lang, bis zuletzt derselbige Kaiser, ihr Gemahl, ihr solche ihre Bitte zusagete und erlaubte, von deswegen sie aus dermaßen sehr erfreut ward, in ihrem Herzen und Gemüthe.

Und da der Kaiser nun sahe, daß seine Frau also begehrlichen war, zu beschauen die Lande der Christenheit, da versorgete er sie mit einer mächtigen und schönen Gesellschaft seiner Fürsten, Grafen und Ritterschaft, desgleichen mit Gelde, Silber und Edelgestein, überflüssiglich und unaussprechlich; auch mit solchen Geleitsbriefen, damit sie sicher möchte aus und einziehen, ohne alle Hindernisse, bis zu den Enden, davon sie gezogen war, als eine gewaltige Kaiserin.

Da sie also von ihrem Herrn, dem Kaiser, solche große Gabe und desgleichen die Gesellschaft der Fürsten und Herren empfangen hatte, da zog sie aus mit großen Freuden, zu beschauen die Lande der Christenheit, und wo also diese Kaiserin hinkam mit ihrer Ritterschaft, ward sie ehrlich empfangen und mit großen Gaben geehret und begabet, von Fürsten, Herren, Landen und Städten, als einer solchen mächtigen Kaiserin wohl ziemlich war. Und zuletzt da kam sie also in die Schlesien, an die Gränze des Zobtenberges, etwa (vor kurzem) der Fürstenberg genannt, von welchem Berge die alten Chroniken sagen, daß die alten edeln Fürsten in Schlesien und Pohlen ihre ursprüngliche Geburt haben. Auf die Zeit mächtiger Schlösser zwei in der Schlesien sein gelegen, als nehmlich der Fürstenberg und Leubus, welches nun verwandelt ist zu einem geordneten Kloster der Väter Zisterzienser des heiligen Benedikti. Und auf dieselbige Zeit die nahmhafteste Stadt in der Schlesien war der Neumarkt, etwan gebaut von den Fürsten der zweier Schlösser obgenannt. Zu welcher Stadt Neumarkt ist auch kommen die erwähnte Kaiserin mit ihren Herren und Ritterschaft, die zu beschauen.

Und da die Bürger sahen und merketen solchen großen, unaussprechlichen Schatz, welchen die Kaiserin bei ihr hatte, da gingen sie zusammen in einen Rath und sprachen zu einander: daß es unziemlich wäre, daß eine solche ungläubige Frau mit solchen großen Schätzen, beidem, Silber, Gold und Edelgesteinen, ihnen entwerden sollte. »Darum wollen wir sie, mit sammt den Ihren, Herren und Dienern, durch unsere Gewalt überfallen und zu Tode schlagen und ihren Schatz unter uns und unsere Bürger betheilen.«

Solchem bösen und unbedachten Rathe sie nachgingen und erschlugen Herren, Ritter und Knechte, mit sammt der Kaiserin und ihren Jungfrauen und Dienerinnen und niemand leben ließen, bis auf zwo von ihren Jungfrauen, welche sich verborgen hatten in den finstern Kellern und Höhlen, und also mit großer Vorsichtigkeit davon lebend und hernachmals schwerlich (mit Beschwer) wieder heim zu Lande kamen. Da sie also wieder heim kommen waren, sagten sie ihrem Herrn, dem Kaiser, mit großem Weinen und Wehklagen, den jämmerlichen Tod seines Gemahls und wie und wo das geschehen war und sprachen: »o, allmächtigster Kaiser, wir haben mit der Kaiserin, deinem Gemahl, und mit ihren Fürsten und Herren gezogen durch manche Stadt und Land der Christenheit, da man uns große Würde und Ehre erboten hat, mit Gaben und andern Dingen, ausgenommen in einer Stadt, welche mit Namen Neumarkt genennt ist und gelegen in der Schlesien. Da ist unsere Frau, die Kaiserin, mit sammt ihren Fürsten und Herren bößlich erschlagen und ermordet worden, von den Bürgern derselben Stadt und wir zwo sind davon kommen mit großer Angst und Noth.«

Da dieser Kaiser erhörte solche jämmerliche Mähre, von seinem lieben Gemahl, desgleichen von seinen Herren und Ritterschaften, er aus der Maßen sehr erschrak und also, aus grimmigem Zorn bewegt, sich vereidete und sprach: »daß sein Haupt nicht sollte Ruhe haben, bis er solchen Mord, der geschehen wäre an seinem Gemahl und an den Seinen, an der Christenheit geräche mit großem Blutvergießen, Verheerung und Verwüstung ihres Landes.« Demnach ließ er ausrufen milden und reichen Sold durch drei ganze Jahre lang, allen denen, die ihm helfen wollten an der Christenheit rächen den Tod seiner Herren und seines Gemahls, in welcher Zeit versammelt wurden bis in die fünfhunderttausend Mann.

Hier möge, da die Erzählung des andern der Geschichte anheim fällt, ein altes Volkslied über diesen Gegenstand schließen. Ein alt Lied von der Tartarfürstin, die zu Neumarkt meuchelmörderisch getödtet worden.

Was wollt ihr aber hören,
Was wollt ihr, daß ich sing'?
Wohl von der Tartarprinzessin schön,
Wie's der zu Neumarkt ging.

Nach Breßela der Schlesi
Eine große Reise sie macht,
Nach Neumarkt kam sie gefahren,
Und blieb allda zu Nacht.

Da sprach der Wirth zum Andern:
»Ein' Heidin wohnt bei mir,
Sie hat viel Gold und Edelstein,
Die laß ich nit von hier.

Gute Nacht, Prinzessin schöne,
Ihr lebt nicht bis zum Tag;« –
Und wandte sich behende,
Gab ihr den Todesschlag.

Und all' ihr Hofgesinde
In tiefem Schlaf er fand,
Und würgte sie groß und kleine
Mit seiner eigenen Hand.

Mit seinen eigenen Händen
Begrub er allzumal,
Gar tief im kalten Keller,
Ihr Gold und Gut er stahl.

Er zeigte drauf den Andern
Seine Hand vom Blut so roth,
Und von dem Gold und Edelstein
Er ihn'n die Hälfte both.

Die Hälfte nahmen sie gerne,
Und schwiegen wohl von der That;
Doch was nicht früh wird g'rochen,
Das straft der Himmel spat.

Der Tartarfürst der hörte:
Zu Neumarkt ist eu'r Kind
Gemordet und beraubet arg,
Ihr'n Körper man noch find't.

Da rief er seinen Haufen:
»Auf, nehmet Spieß und Schwerdt,
Nach Schlesi woll'n wir ziehen,
Es ist des Ziehens werth.«

So kamen sie nun in Schaaren
Ins ganze Schlesierland
Und sengten, brannten und stahlen,
Der Welt ist's wohl bekannt.

Den Tod der Prinzessin zu rächen
Bei Wahlstatt ging es trüb;
Zu Ehren der Heiden Prinzessin
Ein Christlicher Herzog blieb.

So ward am Lande gerochen,
Was Neumarkt hat gethan,
Herr Gott, uns selber regiert,
Wenn wir was fangen an.

Quelle: Johann Gustav Gottlieb Büsching: Volkssagen, Märchen und Legenden, Leipzig, Reclam, 1812,