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Von der Mißgeburt und dem unverbrennlichen Hause zu Stendal

  Nach Angelus S. 351

Den 21. Tag Novembris des Jahres 1553 ist zu Stendal in St. Peters Pfarr ein curioses Monstrum geboren worden. Es sind zwei Kinder weiblichen Geschlechts von Mutterleib kommen, welche die Beine in einander geschrenkt, als wären sie in einander gewachsen. Das eine Kind hat ein sehr scheußlich Angesicht gehabt, wie ein alt runzliches Männlein, das andere hat ein sehr liebliches Angesicht gehabt, wie ein Engel, daß man's auch nicht schöner hätte malen können. Sie haben beide spitzige feurige Zungen aus dem Munde einen Finger lang hervor gestreckt. So hat man auch bei dem Kinde mit dem schönen Angesicht einen Nabel gesehen, eines Armes dick, der wie ein Schwanz gar auf der Erden gehangen.

Da auch im selbigen Jahr etliche Leute daselbst in einem Hause krank gelegen, sind sie in solcher ihrer Krankheit wunderbarlicher Weise mit Feuer überfallen und sichtiglich verbrannt worden, also daß sie im Feuer erstickt und gestorben. Das Haus aber, darin sie gelegen, ist unversehrt geblieben, auch vom Feuer nicht angesteckt worden. Ueber den dritten Tag nachher, als man die verbrannten und verdorbenen Leute hat begraben wollen, haben sie durch die Särge überflüssig geblutet.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 130-131