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Die Wundereiche bei Wittstock

  Nach Beckmann, Th. III. S. 744 etc. 
  Eine Abbildung des Baumes ebendas. Taf. XVI. No. 5.

Es diente im Jahre 1668 ein Knecht, von Wiburg aus Holstein bürtig, Namens Christian, zu Wittstock bei einem Fleischer Joachim Lebenzier für einen Ackerknecht, bekommt aber einen Zufall in den Gliedern, daß er seine Arbeit auf eine Zeitlang nicht verrichten konnte, bis sich endlich dieses Malum in den Füßen zusammenzieht, sonderlich in den Gliedern an den Schenkeln in der Beuge des Blattfußes, darin er große Schmerzen empfindet, daß er am Stocke sich forthelfen muß. Sein Meister aber wird ungeduldig darüber und redet ihn hart an, er müsse sich zwingen, seinen Dienst zu verrichten, damit er ihm das Brot nicht müßte umsonst geben, und befiehlt ihm einst auf den Sonnabend, er solle des Morgens am Sonntage, weil er nicht gehen könne, ein Pferd nehmen und nach Blesendorf reiten, ein erkauftes Kalb von einem Bauern daselbst abzuholen, worüber er mit großer Betrübniß zu Bette gehet, und deucht ihm, wie er nach Mitternacht durch eine Stimme aufgeweckt wird, die ihm Befehl giebt, er solle in seiner Reise an den Eichbaum hinter Zazke am Wege nach Blesendorf stille halten, sich vom Pferde begeben und durch den von einander gewachsenen Eichbaum durchkriechen, so würde er gesund werden, welches er gethan, und wird zur Stunde gesund, daß er seine Hilfsstöcke am Baum hinwirft und gehen und stehen kann. Dieses wird nach etlichen Jahren kund, worüber ein großer Zulauf entstanden, viele Leute, so daselbst mit Krücken hingekommen, sind nachher fröhlich davon gegangen und haben die Krücken in großer Menge allda liegen lassen.

Dieser Zulauf hat sich auch im Jahre 1680 von Neuem erhoben, und weil Wittstock eine Meile abgelegen, so haben die vornehmen Patienten in Zazke ihr Quartier genommen, auch die Kirche reichlich beschenkt, bis endlich Churfürst Friedrich Wilhelm bewogen worden, weil das ganze Werk auf einen Aberglauben hinausgelaufen, diesen Baum umhauen zu lassen. Es war ein dicker und krauser Baum und daran etliche Aeste in einander und Löcher durchwachsen, und wurde geglaubt, daß, wer da durchkröche, gesund würde, sonst aber so ästig und knorrig, daß er nicht könne gespalten oder weggeführt werden. Und heget der gemeine Mann noch eine sonderbare Ehrerbietung gegen dieselbe Eiche, die endlich, als vor Jahren die wüste Feldmark daselbst geräumt worden, mit verbrannt ist.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 95-96